Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung

 

Leitsatz (NV)

Äußert ein Richter eine möglicherweise unrichtige, für einen Beteiligten ungünstige Rechtsauffassung, so ist das im allgemeinen kein Grund für seine Ablehnung wegen Befangenheit.

 

Normenkette

FGO § 51

 

Tatbestand

In dem beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen . . . anhängigen Verfahren, in dem es um die Klage des Antragstellers gegen die Untersagungsverfügungen des Finanzamts (FA) vom September 1983 und Februar 1984 geht, beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom April 1985, den Vorsitzenden Richter . . . und den Richter am FG . . . wegen Verdachts der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung führte er aus: Seine Klage sei nur gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) gerichtet. In dem Verfahren gehe es darum, daß er Steuerberatung dadurch geleistet habe, daß er in seinem Namen Rechtsmittel für andere Steuerpflichtige eingelegt habe. Dieser Tatbestand werde von den Richtern nicht beachtet. Diese interessierten sich für den jetzigen Zustand und hätten deshalb seinen jetzigen Arbeitgeber, den Steuerberater . . ., als Zeugen geladen. Richter . . . habe in seiner dienstlichen Äußerung erklärt, daß er, der Antragsteller, trotz Kündigung für den Lohnsteuerhilfeverein A. aufgetreten sei. Das sei nicht Gegenstand der Entscheidung. Weitere Befangenheitsgründe lägen darin, daß die von ihm beantragten Zeugen vom Gericht nicht geladen worden seien. Die Befangenheit des Vorsitzenden Richters . . . ergebe sich daraus, daß dieser in seiner dienstlichen Äußerung vom März 1985 erklärt habe, daß er die beanstandete Rechtsauffassung vertrete. Es bestehe der Verdacht, daß er diese Rechtsauffassung auch heute noch habe.

Mit Beschluß vom 22. April 1985 lehnte das FG den Antrag mit folgender Begründung ab: Der ablehnende Beteiligte müsse einen vernünftigen Grund für die Annahme haben, daß sich der Richter aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus bei seiner Entscheidung von falschen Rücksichten leiten lasse. Dagegen seien etwa unrichtige, einem Beteiligten ungünstige Rechtsauffassungen des Richters im allgemeinen kein Grund für dessen Ablehnung wegen Befangenheit (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Januar 1971 V B 67/69, BFHE 101, 207, BStBl II 1971, 243). Ebensowenig begründeten rechtlich vertretbare Maßnahmen der richterlichen Sachaufklärung und Prozeßleitung einen Ablehnungsgrund. Denn das Ablehnungsverfahren schütze nicht gegen unrichtige Rechtsauffassungen eines Richters. Dagegen könnten sich die Beteiligten mit dem vorgesehenen Rechtsbehelf wehren. Soweit der Antragsteller seinen Antrag darauf stütze, die genannten Richter würden den heutigen Zustand, der nicht Gegenstand der Klage sei, heranziehen, und hätten die von ihm benannten Zeugen nicht geladen, rüge er Maßnahmen der richterlichen Sachaufklärung und Prozeßleitung. Ein Ablehnungsgrund im Sinne des § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bestehe insoweit nicht. Im übrigen rüge der Kläger lediglich erneut die dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden Richters . . . und des Richters . . . zum Befangenheitsantrag vom März 1985, den das FG bereits mit Beschluß vom 22. März 1985 abgelehnt habe. Die Begründung des Antrags vom April 1985 sei insoweit bereits unzulässig.

Mit Schriftsatz vom April 1985 legte der Antragsteller gegen diesen Beschluß Beschwerde ein und beantragte für das Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH). Zur Begründung der Beschwerde führte er aus: Die Richter seien der Ansicht, daß, nachdem eine Kündigung von einem Arbeitgeber ausgesprochen worden sei, jegliche Tätigkeit für diesen Arbeitgeber automatisch untersagt sei. Er, der Antragsteller, vertrete die Rechtsauffassung, daß eine weitere Beschäftigung sehr wohl möglich sei. Die Ansicht der Richter sei praxis- und wesensfremd. Die Rechtsauffassungen seien nicht mit dem Gesetz vereinbar. Wenn die Richter die Anträge auf Zeugenvernehmung nicht beschieden, so bestehe der Verdacht, daß die Richter gar kein Interesse an der Wahrheitsfindung hätten und die Beweisaufnahme in der Tat nicht stattfinden könne. Wenn dann anstatt der tatsächlichen Zeugen Zeugen geladen würden, die mit der Sache nichts zu tun hätten, müsse man vermuten, daß die Richter irgendeinen Dreh oder Streich vorhätten. So sei sein jetziger Arbeitgeber geladen worden, bei dem er seit dem 1. April 1984 beschäftigt sei, der aber mit der ganzen Sache nichts zu tun habe. Die Richter unterstellten ihm, dem Antragsteller, daß er für seinen Arbeitgeber ,,Schwarzgeschäfte" mache. Das seien Verleumdungen. Er werde offenbar in diesem Verfahren auf Biegen und Brechen verunglimpft und mit Schmutz beworfen. An dem angefochtenen Beschluß hätte der Richter . . . nicht mitwirken dürfen. Denn dieser Richter sei inzwischen mit dem Befangenheitsantrag vom April 1985 auch als befangen abgelehnt gewesen.

Das FA hat sich zur Sache nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Bewilligung von PKH zur Durchführung des anhängigen Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluß des FG vom April 1985 ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 der Finanzgerichtsordnung i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO). Wie das FG im angefochtenen Beschluß unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die Äußerung einer möglicherweise unrichtigen, einem Beteiligten ungünstigen Rechtsauffassung durch den Richter im allgemeinen kein Grund für dessen Ablehnung wegen Befangenheit. Deswegen kann der Antragsteller auch mit den Argumenten seiner Beschwerdebegründung, die sich gegen die von den abgelehnten Richtern vertretene Rechtsauffassung richten, keinen Erfolg haben.

Auch im übrigen hat der Antragsteller keine objektiven Gründe vorgetragen, die bei vernünftiger Beurteilung geeignet sind, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu erregen. Auch die Art und Weise, wie die Richter ihre Pflicht zur amtlichen Ermittlung ausgeübt haben, gibt keinen Anlaß, an ihrer Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens des FG durch Einlegung der zulässigen Rechtsmittel durch den BFH überprüfen zu lassen. Die vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen bieten auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür, daß seine Vorwürfe gegen die Richter zutreffend sein könnten.

An der angefochtenen Entscheidung hat auch der Richter . . . mitgewirkt. Zu Unrecht wendet der Antragsteller ein, diese Mitwirkung sei unrechtmäßig, da er diesen Richter mit dem Befangenheitsantrag vom April 1985 auch als befangen abgelehnt habe. Der angefochtene Beschluß trägt das Datum vom . . . April 1985. Der Befangenheitsantrag des Antragstellers im Schriftsatz vom . . . April 1985 ist lt. Eingangsstempel des FG erst am . . . April 1985 beim FG eingetroffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414369

BFH/NV 1986, 615

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