Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 74 FGO, wenn während des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision ein Änderungsbescheid ergeht, der nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird.

2. Zum Ruhen des Verfahrens.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 74, 155; ZPO § 251

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren einen Handel. Aufgrund einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) am 17. Dezember 1986 gegen ihn geänderte Bescheide betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermeßbetrag, jeweils für 1978 bis 1984, Vermögensteuer vom 1. Januar 1981 bis 1. Januar 1984 und Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980 bis 1. Januar 1985. Die gegen diese Bescheide gerichtete Klage hatte nur teilweise Erfolg.

Gegen die Vorentscheidung hat der Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Die Vorentscheidung beruhe auf Verfahrensmängeln bei der Feststellung des jeweils anzuwendenden Aufschlagsatzes.

Am 26. Oktober 1992 hat das FA gegen den Kläger nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte, nach § 165 Abs. 1 AO 1977 vorläufige Einkommensteuerbescheide für 1978 bis 1984 erlassen. Diese Bescheide hat der Kläger nicht entsprechend §§ 121, 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Er hat dagegen jeweils Einspruch mit dem erklärten Ziel eingelegt, eine sachliche Überprüfung des gesamten Schätzungszeitraumes zu erreichen. Er beantragt nunmehr, das gesamte anhängige Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Änderungsbescheide auszusetzen. Das FA hat die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide als unzulässig verworfen. Dagegen ist wiederum Klage erhoben worden.

 

Entscheidungsgründe

Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist teilweise zu entsprechen.

1. Die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 26. Oktober 1992 umfassen die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide, ersetzen deren Steuerfestsetzungen und nehmen sie in ihren Regelungsinhalt auf. Solange die Änderungsbescheide Bestand haben, entfalten daher die ursprünglichen Bescheide keine Wirkung. Sie bleiben in dem Umfange, in dem sie in die Änderungsbescheide aufgenommen sind, suspendiert und treten erst wieder in Kraft, wenn die Änderungsbescheide aufgehoben werden. Daher ist ein Klage- oder Rechtsmittelverfahren gegen einen ursprünglichen Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in analoger Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, wenn der Kläger den Änderungsbescheid anficht, ohne einen Antrag nach § 68 FGO zu stellen (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231; BFH-Urteil vom 15. Februar 1990 V R 124/84, BFH/NV 1990, 722; BFH-Beschluß vom 16. Januar 1991 IV B 23/88, BFH/NV 1992, 390). Dies gilt jedenfalls unverändert, wenn der Änderungsbescheid wie im Streitfall vor dem 1. Januar 1993 ergangen ist (vgl. dazu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 74 Anm. 13). Dabei ist allein von Bedeutung, ob der Änderungsbescheid den ursprünglichen Bescheid formell geändert und ersetzt hat; nicht erheblich ist dagegen, ob er materielle Änderungen enthält (BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 722; BFH- Beschluß in BFH/NV 1992, 390). Nach diesen Grundsätzen ist das Klageverfahren hinsichtlich der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide vom 17. Dezember 1986 bzw. 23. November 1987 auszusetzen.

2. Der Senat hält es darüber hinaus für zweckmäßig, hinsichtlich der übrigen Klagegegenstände gemäß § 155 FGO i. V. m. § 251 der Zivilprozeßordnung das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Die Entscheidung über die geänderten Einkommensteuerbescheide ist auch für die zutreffende Bemessung der Umsatzsteuer, des Gewerbesteuermeßbetrags, der Vermögensteuer und des Einheitswerts des Betriebsvermögens erheblich. Denn die vom Kläger gerügte Ermittlung der in den jeweiligen Streitjahren zugrundezulegenden Aufschläge auf den Wareneinsatz betrifft gleichermaßen die Schätzung der Gewinne und Einnahmen und damit auch des Vermögens.

Die Beteiligten haben dem Ruhen des Verfahrens zugestimmt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 126

BFH/NV 1995, 127

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