Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO)

 

Leitsatz (NV)

Ist gegen einen Bescheid ein Klageverfahren anhängig und ergeht während des Klageverfahrens ein Änderungsbescheid, den der Kläger angreift, ohne einen Antrag nach § 68 FGO zu stellen, so ist das Klageverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid in analoger Anwendung des § 74 FGO auszusetzen.

 

Normenkette

FGO §§ 74, 68

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Gegen die in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossenen Gesellschafter A, B und C ist am 18. März 1980 für das Jahr 1976 ein Gewinnfeststellungsbescheid ergangen. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 6. August 1980) ist Klage erhoben worden, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) den Bescheid vom 8. Mai 1987. Er hat ebenfalls die Gewinnfeststellung 1976 zum Inhalt und enthält in den Erläuterungen folgenden Vermerk:

,,Dieser Bescheid tritt an die Stelle des Bescheides vom 18. 3. 1980 und der Einspruchsentscheidung vom 6. 8. 1980. Er ist gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung in Verbindung mit § 132 Abgabenordnung geändert. Auf die Feststellungen des Steuerfahndungsberichts vom . . . wird Bezug genommen."

Da die GbR zwischenzeitlich beendet worden ist, erging dieser Bescheid an alle drei Gesellschafter, was in den Erläuterungen ebenfalls vermerkt ist. Gegen den Bescheid vom 8. Mai 1987 ist vom Gesellschafter A Einspruch eingelegt worden; das FA wies diesen Einspruch durch Entscheidung vom 7./15. September 1989 als unbegründet zurück.

Ein Antrag gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO), den Gewinnfeststellungsbescheid für 1976 vom 8. Mai 1987 zum Gegenstand des Klageverfahrens zu machen, ist nicht gestellt worden. Das FG hat mit Beschluß vom 10. Dezember 1987 entschieden, das Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit des Gewinnfeststellungsbescheides 1976 vom 18. März 1980 bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Änderungsbescheid vom 8. Mai 1987 auszusetzen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Mit ihr wird beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und das FG zu verpflichten, über die Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid vom 18. März 1980 zu entscheiden. Es wird geltend gemacht, daß der Bescheid vom 18. März 1980 mit erheblichen Adressierungs- und Bekanntgabemängeln behaftet sei. Es wird die örtliche Zuständigkeit des beklagten FA bestritten. Zum Bescheidinhalt wird vorgetragen, die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruhe auf rechtswidrigen Ermittlungen. Ferner wird der Eintritt von Festsetzungsverjährung vorgetragen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die vom FG getroffene Entscheidung, das Klageverfahren gegen den ursprünglich ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid für 1976 vom 18. März 1980 bis zum Abschluß des Verfahrens über den Änderungsbescheid vom 8. Mai 1987 auszusetzen, ist eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung seines Ermessens hatte das FG zu berücksichtigen, daß der Änderungsbescheid vom 8. Mai 1987 den ursprünglichen Bescheid vom 18. März 1980 in seinen Regelungsinhalt aufgenommen hat. Solange dieser Änderungsbescheid Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Bescheid vom 18. März 1980 keine Wirkung mehr. In Anbetracht dieser Rechtswirkungen wird vom Bundesfinanzhof (BFH) die Auffassung vertreten, daß das Klageverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid in analoger Anwendung des § 74 FGO auszusetzen ist, wenn der Kläger den Änderungsbescheid mit dem Einspruch bzw. der Klage angreift, ohne einen Antrag nach § 68 FGO zu stellen (ständige Rechtsprechung des BFH seit Beschluß des Großen Senats vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Da für die Frage der Aussetzung des den ursprünglichen Bescheid betreffenden Klageverfahrens allein von Bedeutung ist, ob ein (Änderungs-)Bescheid den ursprünglichen Bescheid formell geändert und ersetzt hat (so zuletzt BFH-Urteil vom 15. Februar 1990 V R 124/84, BFH/NV 1990, 722), konnte bzw. mußte das FG bei seiner Ermessensentscheidung diejenigen materiell-rechtlichen Einwendungen unerörtert lassen, die seitens des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheides vom 18. März 1980 vorgetragen worden sind. Diese Einwendungen gehen ohnehin in die gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides vom 8. Mai 1987 ein, so daß die klägerische Auffassung von einer vermeintlichen Verhinderung des Verfahrensfortgangs nicht zutreffend ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417554

BFH/NV 1992, 390

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