Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestbegründung als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. Aus den allgemeinen Überlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis und zur Geltendmachung einer Beschwer folgt, daß jede Beschwerde einen bestimmten Mindestinhalt haben muß.

2. Sie muß nicht nur die angefochtene Entscheidung eindeutig kennzeichnen, sondern auch das Begehren erkennen lassen.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 2, §§ 128, 132

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben vor dem Finanzgericht (FG) eine Untätigkeitsklage gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) wegen Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1987. In der Sache anberaumte der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG durch Verfügung vom 30. August 1991 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 2. Oktober 1991, 10.30 Uhr. Die Ladung wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 4. September 1991 zugestellt.

Der Prozeßbevollmächtigte beantragte Akteneinsicht beim FA oder beim Amtsgericht X aus Urlaubsgründen in der Zeit nach dem 26. September 1991 und außerdem Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Letzteren Antrag lehnte der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG durch Beschluß vom 24. September 1991 ab. Das FG führte den Termin, an dem für die Kläger niemand teilnahm, durch. Es lehnte sowohl die Vertagung der Sache als auch die Aussetzung des Verfahrens ab. Es wurde mündlich verhandelt. Nach Beratung wies das FG die Klage der Kläger ab. Das Urteil und die Beschlüsse über die Ablehnung der Terminsverlegung wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 8. November 1991 zugestellt.

Die Kläger legten mit dem Datum vom 30. November 1991 beim FG Nichtzulassungsbeschwerde ein. Gleichzeitig lehnten sie den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht A und die Richter am Finanzgericht B, C und D als befangen ab. Das FG verwarf das entsprechende Gesuch durch Beschluß vom 19. Dezember 1991. An dem Beschluß wirkten der Vorsitzende Richter am Finanzgericht A und die Richter am Finanzgericht B und C mit. Er wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 5. Februar 1992 zugestellt.

Gegen den Beschluß richtet sich die mit Datum vom 7. Februar 1992 eingelegte Beschwerde, die dort am 13. Februar 1992 einging. Zur Begründung ihres Befangenheitsantrages beziehen sich die Kläger auf ihre Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie kündigten die Einreichung einer weiteren Begründung an, wobei sie als spätesten Abgabetermin einmal den 29. Februar 1992 und einmal den 31. März 1992 angaben. Tatsächlich ist bis zur Entscheidung des Senats über die Beschwerde keine weitere Beschwerdebegründung der Kläger eingegangen, obwohl die Kläger durch Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 20. Januar 1995 auf die Absicht des Senats, über die Beschwerde zu entscheiden, hingewiesen und aufgefordert wurden, sich bis zum 28. Februar 1995 abschließend zu äußern.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Nichtabhilfebeschluß ist von dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht A und den Richtern am Finanzgericht B und C gefaßt.

Die Kläger haben keinen genauen Antrag gestellt.

Das FA hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb durch Beschluß zu verwerfen.

Zwar ist die Beschwerde statthaft (vgl. Geist in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 128 FGO, Rdnr. 11). Sie ist jedoch wegen Fehlens eines genauen Antrages und einer Mindestbegründung unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Zwar enthält die FGO keine Vorschriften über den Mindestinhalt einer Beschwerde i. S. des § 128 FGO. Auch kann dem § 120 Abs. 2 FGO kein Begründungszwang entnommen werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. April 1968 VI B 47/67, BFHE 92, 469, BStBl II 1968, 608; vom 21. August 1974 II B 9/74, BFHE 113, 96, BStBl II 1974, 717; vom 15. November 1988 II B 154/88, BFH/NV 1989, 735). Die Einreichung einer Beschwerdebegründung ist auch an keine bestimmte Frist gebunden. Jedoch folgt aus den allgemeinen Überlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis und zur Geltendmachung einer Beschwer, daß jede Beschwerde einen bestimmten Mindestinhalt haben muß (vgl. Geist, a. a. O., § 129 FGO, Rdnr. 5). Sie muß nicht nur die angefochtene Entscheidung eindeutig kennzeichnen (vgl. BFH in BFHE 113, 96, BStBl II 1974, 717), sondern auch das Begehren erkennen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 1989 V B 98/88, BFH/NV 1989, 649; vom 21. Februar 1989 V B 1/89, BFH/NV 1990, 508). Dies gilt insbesondere dann, wenn -- wie im Streitfall -- die Annahme einer fortbestehenden Beschwer zweifelhaft ist, weil das Verfahren abgeschlossen ist, an dem die Richter mitwirkten, deren Befangenheit geltend gemacht wird.

Da es im Streitfall sowohl an einem genauen Antrag als auch an jeder Beschwerdebegründung fehlt, sind die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, die an eine Beschwerde gemäß § 128 FGO zu stellen sind. Sie war deshalb als unzulässig zu verwerfen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 140

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