Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbehelfsbelehrung bei Beschwerde

 

Leitsatz (NV)

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist für den Fall der Beschwerde auch dann ordnungsgemäß, wenn

-- sie keinen Hinweis darauf enthält, daß die Beschwerde auch bei der zur Entscheidung berufenen Behörde eingelegt werden kann;

-- sich der Sitz des (jeweils zuständigen) Finanzamts aus dem Briefkopf des Verwaltungsaktes ergibt.

 

Normenkette

AO 1977 § 356 Abs. 1-2, § 357 Abs. 2

 

Gründe

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet, so daß sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.

1. Die Frage, ob im Fall der Beschwerde eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i. S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist, wenn nur das den Verwaltungsakt erlassende Finanzamt (FA), nicht aber die zur Beschwerdeentscheidung zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) angegeben wird, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Ihr fehlt die Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 9 m. w. N.). Hat sich aufgrund einer höchstrichterlichen Entscheidung in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG) und in der Literatur eine einheitliche Meinung durchgesetzt, so ist die einheitliche Rechtsanwendung gewährleistet.

Mit Urteil vom 9. März 1965 VI 247/64 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1965, 514) hat der BFH entschieden, daß die Nennung der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung genügt und die Nichterwähnung der Möglichkeit, die Beschwerde auch bei der zur Entscheidung berufenen Behörde einlegen zu können, die Belehrung nicht unrichtig macht. Allein die Tatsache, daß diese Entscheidung zu einer Vorgängervorschrift des § 357 Abs. 2 AO 1977 ergangen und mittlerweile schon 30 Jahre alt ist, führt nicht zur Klärungsbedürftigkeit. Zum einen entsprach § 249 Abs. 3 Satz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. insoweit nahezu wortgleich dem § 238 Abs. 2 Satz 2 AO, der wiederum inhaltlich in § 357 Abs. 2 AO 1977 eingegangen ist (vgl. Gesetzesbegründung zu § 340 des Entwurfs AO 1977, BTDrucks VI/1982, S. 191). Zum anderen ist auch der Gesetzgeber bei Formulierung des § 357 AO 1977 davon ausgegangen, daß als Behörde, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, grundsätzlich nur eine in Betracht kommt, wenn er in der Begründung zum Gesetz formuliert: "Abs. 2 regelt im einzelnen, bei welcher Finanzbehörde der Rechtsbehelf anzubringen ist ... " Dementsprechend gehört gemäß § 356 Abs. 1 AO 1977 zum Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung nur die Angabe der Finanzbehörde, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und nicht derjenigen, bei der dieser eingelegt werden kann. Zuständig für die Entgegennahme von Rechtsbehelfen ist grundsätzlich das den Verwaltungsakt erlassende FA. Die Einlegung bei der zur Entscheidung berufenen Finanzbehörde dient nur der Fristwahrung. Der Rechtsbehelf ist daher auch bei Einlegung bei der zur Entscheidung berufenen Stelle der zuständigen Finanzbehörde zu übermitteln (§ 357 Abs. 2 Satz 4 AO 1977), d. h. die Zuständigkeit der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, bleibt auch von § 357 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 unangetastet.

Die Rechtsprechung des BFH hat in der steuerlichen Literatur einhellige Zustimmung gefunden (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 55 Rdnr. 15; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Tz. 6; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 356 AO 1977 Anm. 3 b; Szymszak in Koch, Abgabenordnung, 14. Aufl., § 356 Rdnr. 5; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 1807). Auch Gerichte anderer Gerichtszweige haben zu vergleichbaren Vorschriften in diesem Sinne entschieden (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. August 1976 10 RV 225/75, HFR 1977, 396; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 1954 IV B 08.54, BVerwGE 1, 192; Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 23. Januar 1974 III B 586/73, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1974, 879; Beschluß des Verwaltungsgerichts Mannheim vom 6. Mai 1991 13 S 870/91, NJW 1991, 2098; zustimmend z. B. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 84 Anm. 8; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 58 Rdnr. 8; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., § 58 Rdnr. 7). Die hiergegen von Kopp (Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., § 58 Rdnr. 11) erhobenen Zweifel sind unsubstantiiert geblieben.

2. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit begründen wollen, daß höchstrichterlich nicht geklärt sei, ob

a) der Sitz einer Behörde ordnungsgemäß in der Rechtsbehelfsbelehrung benannt ist, wenn sich dieser nur aus dem Briefkopf des Verwaltungsaktes ergibt und

b) bei Verbindung mehrerer Verwaltungsakte, die von verschiedenen Finanzbehörden erlassen wurden, in der Rechtsbehelfsbelehrung die jeweils für die Rechtsbehelfseinlegung zuständige Behörde anzugeben ist, haben sie das Allgemeininteresse an der Klärung dieser Fragen nicht i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargetan. Der bloße Hinweis, daß höchstrichterlich über diese Frage noch nicht entschieden sei, genügt grundsätzlich nicht (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 62; Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 56). Besonderer Ausführungen zu a) hätte es inbesondere deswegen bedurft, weil die Rechtsfrage tatsächlich bereits durch den BFH entschieden wurde (vgl. Urteil vom 28. Februar 1978 VII R 92/74, BFHE 124, 487, BStBl II 1978, 390). Aus dieser Entscheidung ergibt sich auch die Beantwortung der Frage zu b). Genügt die Angabe des Sitzes im Briefkopf des Verwaltungsaktes, gilt dies auch bei zwei in einem Vordruck verbundenen Verwaltungsakten, die unter Angabe des Sitzes der jeweils den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde ergangen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung -- wie hier in den Sätzen 1 und 4 -- deutlich zum Ausdruck gelangt, daß es sich um mehrere Verwaltungsakte handelt und der Rechtsbehelf bei der Behörde einzulegen ist, deren Verwaltungsakt angefochten werden soll.

Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2236, BStBl I 1994, 100) ohne Begründung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 849

BFH/NV 1995, 850

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