Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Beiladung gem. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977

 

Leitsatz (NV)

Eine Beiladung gem. § 60 Abs. 1 FGO i. V. m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 ist bereits dann zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, daß aus dem Ausgang des Klageverfahrens steuerliche Folgerungen bei dem Dritten, dessen Beiladung in Frage steht, zu ziehen sind.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 5 S. 2; FGO § 60 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt. 1978 trat er in eine Anwaltssozietät ein, deren Gesellschafter die Rechtsanwälte A, B und der inzwischen verstorbene Rechtsanwalt Dr. C waren. Der Kläger mußte sich verpflichten, als ,,Einstand" zwei Lebensversicherungsverträge über je 75 000 DM abzuschließen. Versicherungsnehmer der vereinbarungsgemäß abgeschlossenen Verträge war der Kläger; versicherte Personen waren die Rechtsanwälte A und B; diese bzw. ihre Erben waren auch unwiderruflich bezugsberechtigt.

Im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung der Sozietät für 1979 lehnte es der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ab, die vom Kläger gezahlten Beiträge zu den beiden Lebensversicherungen als Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu berücksichtigen, weil es sich allenfalls um Aufwendungen für den Erwerb eines Anteils am Praxiswert handle und dieser ein nichtabnutzbares Wirtschaftsgut i. S. von § 4 Abs. 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei.

Mit der Klage beantragt der Kläger, die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid für 1979 dahin zu ändern, daß die Beiträge für die beiden Lebensversicherungen als abzugsfähige Ausgaben anerkannt werden.

Im Rahmen des Klageverfahrens hat das Finanzgericht (FG) beschlossen, die Rechtsanwälte A und B und die beiden Erben des verstorbenen Rechtsanwalts Dr. C ,,gemäß § 60 Abs. 3 FGO" beizuladen, weil Ausgaben des Klägers für den Erwerb eines Anteils am Praxiswert notwendigerweise zu Einnahmen bei den Veräußerern des Praxiswerts führen müßten. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu treffende Entscheidung müsse daher einheitlich gegen alle an der Sozietät Beteiligten bzw. ihre Rechtsnachfolger ergehen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Mai 1981 VIII B 90/79, BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633).

Gegen diesen Beiladungsbeschluß richtet sich die Beschwerde des Klägers. Dieser macht geltend, mit Dr. C habe er zu keiner Zeit einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen; Dr. C habe bereits eine Altersrente bezogen, als er, der Kläger, in die Sozietät eingetreten sei. Hinsichtlich der Rechtsanwälte A und B könnten sich die Vorgänge aus 1979 jetzt nicht mehr auswirken.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Beiladung solcher Personen geboten, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Entgegen der Auffassung, die dem angefochtenen Beschluß offenbar primär zugrunde liegt, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt.

Die Frage, ob und in welcher Höhe der Kläger Aufwendungen für den entgeltlichen Erwerb eines Anteils am Praxiswert der Sozietät getätigt hat und ob er diese Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben abziehen kann, ist von der Frage, ob und in welcher Höhe bei den übrigen Mitgliedern der Sozietät ein Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen am Praxiswert der Sozietät entstanden ist, trotz ihrer sachverhaltsmäßigen Verknüpfung rechtlich zu unterscheiden (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Dezember 1979 IV B 56/79, BFHE 130, 1, BStBl II 1980, 314).

2. Gleichwohl war die Beiladung der Rechtsanwälte A und B zulässig, und zwar gemäß den Vorschriften des § 60 Abs. 1 FGO i. V. m. § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977), auf die sich das FG, wie die Bezugnahme auf die Entscheidung in BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633 belegt, offenbar hilfsweise stützen wollte. Denn es besteht die Möglichkeit, daß die Prämienzahlungen des Klägers als betrieblich veranlaßte Aufwendungen für den Erwerb eines Anteils an einem Praxiswert zu beurteilen sind, und daß aus dieser Einordnung der Aufwendungen des Klägers die einkommensteuerrechtliche Folgerung zu ziehen ist, diejenigen Mitglieder der Sozietät, denen die Zahlungen des Klägers zugute kommen, hätten einen Anteil am Praxiswert entgeltlich veräußert und daraus einen einkommensteuerpflichtigen Gewinn erzielt.

Eine Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO i. V. m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 ist allerdings nur zulässig, wenn sie das FA beantragt oder veranlaßt hat (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239). Auch dieser Voraussetzung ist jedoch im Streitfall genügt, denn das FA hat die Rechtsanwälte A und B ebenso wie die Erben des verstorbenen Rechtsanwalts Dr. C bereits zum Einspruchsverfahren hinzugezogen und damit hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, daß es im Hinblick auf die Vorschrift des § 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 an einer Beiladung interessiert ist.

3. Unzulässig war aber die Beiladung der Erben des Rechtsanwalts Dr. C, da deren Interessen durch den Ausgang des vorliegenden Klageverfahrens eindeutig nicht berührt werden.

Zwar reicht für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 bereits die Möglichkeit aus, daß aus dem Ausgang des Klageverfahrens Folgerungen bei dem Dritten, dessen Beiladung in Frage steht, zu ziehen sind (Entscheidung in BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633). Im Streitfall hat der Kläger aber nur zwei Lebensversicherungsverträge abgeschlossen. Versicherte Personen waren nur die Rechtsanwälte A und B; auch bezugsberechtigt waren nur die Rechtsanwälte A und B bzw. deren Erben. Danach sind dem Rechtsanwalt Dr. C bzw. dessen Erben aus den streitigen Aufwendungen des Klägers keine unmittelbaren oder mittelbaren Vorteile erwachsen; für die Annahme, Dr. C habe entgeltlich einen Anteil am Praxiswert veräußert und daraus einen Gewinn erzielt, fehlen nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand jegliche Anhaltspunkte.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 695

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