1. Grundlagen

 

Rz. 38

[Autor/Stand] Der Grundsteuererlass ist als Ausnahmefall für besondere Situationen konzipiert.[2] Er setzt voraus, dass der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Das ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Minderung auf Umständen beruht, die außerhalb des Einflussbereiches des Steuerschuldners liegen.[3] Die Ertragsminderung darf weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt worden sein noch ihr Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hätte verhindert werden können.[4] In Betracht kommen besondere externe Umstände im Erlasszeitraum, z.B. Zahlungsausfälle oder die Zahlungsunfähigkeit des Mieters. Denkbar ist aber auch eine deutlich reduzierte Miete aufgrund fehlender Mietnachfrage bedingt durch ein Überangebot am Markt.[5]

 

Rz. 39

[Autor/Stand] Besteht eine wirtschaftliche Einheit aus zahlreichen verschieden ausgestatteten, zu unterschiedlichen Zwecken nutzbaren und getrennt vermietbaren Räumlichkeiten und sind die marktgerechten Mieten für die einzelnen Raumeinheiten unterschiedlich hoch, ist für jede nicht vermietete Raumeinheit gesondert zu prüfen, ob der Steuerschuldner den Leerstand zu vertreten hat.[7]

 

Rz. 40

[Autor/Stand] Das Tatbestandsmerkmal ist nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GrStG für jeden Erlasszeitraum eigenständig zu prüfen.[9] Unterliegt das Grundstück der Zwangsverwaltung, ist darauf abzustellen, ob der Zwangsverwalter die Rohertragsminderung zu vertreten hat.[10]

Da das Tatbestandsmerkmal auch bereits in der Vorgängerregelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG enthalten war, kann zur Abgrenzung insoweit auf eine langjährige und umfassende Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die aber auch deutlich macht, dass die Frage der nicht zu vertretenden Rohertragsminderung immer wieder Streitgegenstand ist.[11]

[Autor/Stand] Autor: Marx, Stand: 01.01.2024
[2] Vgl. Schnitter/Wengerofsky, eKomm., § 34 GrStG Rz. 15.
[3] Vgl. Senator für Finanzen Berlin, Runderlass v. 20.3.2008 – III D - G 1163a - 2/2007, DStR 2008, 874.
[4] Vgl. BVerwG v. 15.4.1983 – 8 C 150/81, DVBl 1983, 910; BVerwG v. 26.5.1989 – 8 C 20.87, BStBl. II 1989, 1042; BVerwG v. 25.6.2008 - 9 C 8/07, HFR 2009, 311; BVerwG v. 22.1.2014 – 9 B 56.13; BVerwG v. 14.5.2014 – 9 C 1/13, ZKF 2014, 262.
[5] Vgl. Lehmann in Grootens, § 34 GrStG Rz. 85.
[Autor/Stand] Autor: Marx, Stand: 01.01.2024
[Autor/Stand] Autor: Marx, Stand: 01.01.2024
[9] Vgl. Krumm/Paeßens, § 34 GrStG Rz. 21.
[10] Vgl. Krumm/Paeßens, § 34 GrStG Rz. 20.
[11] Vgl. OVG Lüneburg v. 28.11.2001 – 13 L 2862/00, NZM 2002, 393; VGH München v. 31.3.2005 – 4 B 01/1818, NJW 2006, 936; VGH Mannheim v. 2.12.2010 – 2 S 1729/10, NVwZ 2011, 314; OVG Berlin-Bdb. v. 27.6.2011 – 9 B 16/10, BeckRS 2011, 52652; OVG Koblenz v. 2.5.2016 – 6 A 10971/15.OVG, DVBl 2016, 990; VGH München v. 8.12.2016 – 4 ZB 16.1583, BeckRS 2016, 109997; VGH München v. 4.4.2019 – 4 B 18.2511, KommJur 2019, 438; VG Koblenz v. 16.11.2021 – 5 K 256/21.KO, BeckRS 2021, 37081; VG Koblenz v. 5.4.2022 – 5 K 932/21.KO, BeckRS 2022, 19701.

2. Besondere exogene Ereignisse

 

Rz. 41

[Autor/Stand] Bei besonderen exogenen Ereignissen ist klar, dass der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. So hat die Covid-19-Pandemie zu Ladenschließungsverfügungen und Beschränkungsanordnungen mit der Folge von Mietausfällen geführt, die dem Steuerschuldner nicht angelastet werden können.[2] Auch Naturkatastrophen (Hochwasser, Überschwemmungen, Erdbeben, Erdrutsch, Brand, Stürme, Hagel, Blitz) oder behördliche Maßnahmen (Bauprojekte, Verkehrsbeschränkungen) können eine ggf. länger anhaltende Nutzungseinbuße und eine damit verbundene Rohertragsminderung zur Folge haben.[3]

[Autor/Stand] Autor: Marx, Stand: 01.01.2024
[2] Vgl. Lehmann in Grootens, § 34 GrStG Rz. 125.
[3] Vgl. Lehmann in Grootens, § 34 GrStG Rz. 120 f.; Ritzer, NWB 2013, 4047.

3. Leerstand

 

Rz. 42

[Autor/Stand] Zahlreiche gerichtliche Streitfälle befassen sich mit dem Leerstand von Immobilien aufgrund fehlender Nachfrage infolge eines Überangebots am Markt oder aufgrund struktureller oder konjunktureller Einflüsse.[2] Auch ein Leerstand, der sich aus einer nachhaltigen, strukturell bedingten fehlenden Mieternachfrage ergibt, kann einen Erlass nach § 34 GrStG rechtfertigen.[3]

 

Rz. 43

[Autor/Stand] Eine durch Leerstand bedingte Minderung des normalen Rohertrags hat der Steuerschuldner in der Regel nicht zu vertreten, wenn er sich in ortsüblicher Weise nachhaltig um deren Vermietung zu marktgerechten Konditionen bemüht und versucht hat, den Kreis potentieller Interessenten möglichst umfassend zu erreichen.[5] Im Gegensatz dazu führt das Fehlen jeglicher Vermietungsbemühungen zu der widerlegbaren Annahme, dass der Steuerschuldner die Ertragsminderung zu vertreten hat, und zwar auch dann, wenn die Nutzbarkeit eines Grundstücks durch Regelungen des Bauplanungsrechts eingeschränkt ist oder das Grundstück heruntergekommen oder verwahrlost ist.[6] Je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist, de...

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