Rz. 373

Grundsätzlich gelten für die Bewertung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten die Regeln über die Bewertung von Verbindlichkeiten.[1] Rückstellungen sind daher mit den Anschaffungskosten (Nennwert) oder dem höheren Teilwert zu bewerten.[2] Zusätzlich gelten für die steuerliche Bewertung die durch Gesetz v. 24.3.1999[3] mit Wirkung ab Vz 1999 eingefügten Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Diese Regeln bilden, wie sich aus dem Einleitungssatz ergibt, den Höchstbetrag der Rückstellungen. Das bedeutet, dass der niedrigere Betrag anzusetzen ist, wenn sich aus anderen Vorschriften, insbesondere den handelsrechtlichen Bestimmungen, niedrigere Rückstellungswerte ergeben. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wird durch § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zuungunsten des Stpfl. durchbrochen, indem höhere handelsrechtliche Rückstellungsansätze nicht für die Steuerbilanz übernommen werden dürfen. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz gilt zuungunsten des Stpfl., soweit handelsrechtlich nur ein niedrigerer Rückstellungsansatz gerechtfertigt ist; dieser ist auch für die Steuerbilanz zu übernehmen.

 

Rz. 374

Maßgebender Stichtag ist der Bilanzstichtag, wobei spätere bessere Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung berücksichtigt werden müssen.[4] Da in Form von Rückstellungen nur nach Grund und/oder Höhe ungewisse Verbindlichkeiten bilanziert werden, kann die Höhe der Rückstellung i. d. R. letztlich nur geschätzt werden. Entsprechend § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Rückstellungen daher in der Höhe zu bilden, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Auch bei der Bemessung der Rückstellung muss dem Kaufmann daher ein gewisses Ermessen eingeräumt werden, da er die Verhältnisse seines Betriebs, und damit auch die Risiken, am besten einschätzen kann. Die Schätzung muss aber in objektiven und nachprüfbaren Verhältnissen ihre Grundlage haben; diese hat der Kaufmann der Finanzbehörde darzulegen.[5]

 

Rz. 375

Insgesamt ergibt sich bei der Bewertung der Rückstellungen eine Unsicherheit.[6] Da sie eine Unterart der Verbindlichkeiten darstellen, wären sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit dem Nennwert oder dem höheren Teilwert, mindestens also mit dem Nennwert, anzusetzen. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB macht aber bei der Bewertung einen Unterschied zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Während Verbindlichkeiten immer mit dem Rückzahlungsbetrag (Erfüllungsbetrag) zu bewerten sind, gilt für Rückstellungen die Bewertung mit dem Betrag, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist bzw. i. d. F. des BilMoG[7] mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag. Dies entspricht Art. 42 Abs. 1 der 4. EG-Richtlinie 78/660/EWG v. 25.7.1978.[8] Rückstellungen dürften damit auch unter dem Nennwert (Rückzahlungsbetrag) bewertet werden, wenn dies vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht.[9] Diese handelsrechtliche Regelung gilt nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit (Rz. 37ff.) auch für das Steuerrecht. Andererseits kann diese Bewertung bedeuten, dass gegen das Imparitätsprinzip verstoßen wird, d. h., dass nicht realisierte Gewinne ausgewiesen werden, wenn eine in Zukunft mögliche Minderung des Rückstellungsbedarfs vorempfunden wird. Bei der wesentlichen Bedeutung des Imparitätsprinzips hat die Bewertung von Rückstellungen, trotz des Wortlauts des § 253 Abs. 1 HGB, so zu erfolgen, dass der Ausweis nicht realisierter Gewinne vermieden wird.[10]

 

Rz. 376

Die Rückstellung ist zu dem Bilanzstichtag, zu dem sie erstmals gebildet wird, sowie zu jedem weiteren Bilanzstichtag nach den an dem jeweiligen Bilanzstichtag herrschenden Verhältnissen zu bewerten.

 

Rz. 377

Die Rückstellung ist grundsätzlich mit den Vollkosten zu bewerten, d. h. dem Betrag, den der Kaufmann zur Begleichung der (ungewissen) Verbindlichkeit aufwenden muss. Es ist dies der Erfüllungsbetrag. Dies entspricht Art. 31 Abs. 1 Buchst. c der 4. EG-Richtlinie 78/660/EWG v. 25.7.1978.[11] Für die Steuerbilanz enthält § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG besondere Bewertungsvorschriften, die teilweise von den handelsrechtlichen, und damit durch die 4. EG-Richtlinie 78/660/EWG v. 25.7.1978[12] geforderten Wertansätzen abweichen. Diese Abweichungen sind in den Rz. 381ff. dargestellt. Die steuerrechtliche Regelung verstößt nicht gegen die 4. EG-Richtlinie. Diese gilt nur für die Handelsbilanz, nicht für die Steuerbilanz. Der nationale Gesetzgeber kann die Ansätze in der Steuerbilanz an die handelsrechtliche Regelung anknüpfen (Grundsatz der Maßgeblichkeit); dann muss er die EU-rechtlichen Vorgaben auch für die Steuerbilanz berücksichtigen (Rz. 64). Der nationale Gesetzgeber kann aber durch ausdrückliche Vorschrift für die Steuerbilanz auch von den EU-rechtlichen Regelungen abweichen[13]; das ist in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG geschehen.

 

Rz. 378

Entsprechende Grundsätze gelten, wenn ein Kaufmann eine einmal gebildete Rückstellung zu einem späteren Bilanzstichtag erhöhen will, weil er sie für nicht mehr a...

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