Leitsatz (amtlich)

1. Ist aus einem zusammengefaßten Bescheid über die Einheitswertfestestellung und Grundsteuermeßbetragsveranlagung nicht klar ersichtlich, daß es sich um zwei selbständige und je für sich anfechtbare Verwaltungsakte handelt, kann es nach Treu und Glauben gerechtfertigt sein, den gegen die Einheitswertfeststellung gerichteten Rechtsbehelf zugleich auch als Rechtsbehelf gegen die Grundsteuermeßbetragsveranlagung zu behandeln.

2. Als Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs im Sinne von § 33 Nr. 1 GrStDV ist ein unbebautes Grundstück anzusehen, bei dem nach den objektiven Verhältnissen am Stichtag damit zu rechnen ist, daß es in Zukunft für eigengewerbliche Zwecke des Betriebs genutzt werden wird.

 

Normenkette

AO a.F. § 229; GrStDV § 33 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Revisionskläger) war Eigentümer eines inzwischen veräußerten unbebauten Grundstücks. Durch Bescheid vom ... schrieb das FA - Revisionsbeklagter - den Einheitswert zum 1. Januar 1959 fort. Gleichzeitig mit der Wertfortschreibung nahm das FA eine Fortschreibungsveranlagung des Grundsteuermeßbetrags unter Anwendung der Steuermeßzahl 10 v. T. vor. Beide Bescheide waren in einem einheitlichen Bescheidsvordruck mit der Überschrift "Einheitswertbescheid und Grundsteuermeßbescheid" zusammengefaßt.

Der Einspruch, der als gegen den "Einheitswertbescheid (Wertfortschreibung)" gerichtet bezeichnet war, wurde durch Entscheidung vom 30. April 1963 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Berufung beantragte der Steuerpflichtige zunächst "die ersatzlose Aufhebung des angegriffenen Einheitswertbescheides". Mit Schriftsatz vom ... erklärte er das Rechtsmittel in der Hauptsache für erledigt. Während des hierüber geführten Schriftwechsels erklärte der Steuerpflichtige, sein Rechtsmittel dahin ergänzen zu wollen, daß die Steuermeßzahl für die Grundsteuer nur 5 v. T. betrage. Zur Begründung machte er geltend, das FA habe zu Unrecht das ihm gehörige und zugerechnete Grundstück als Vorratsgelände einer KG angesehen, an der er als Komplementär beteiligt sei. Schon vorher hatte der Steuerpflichtige beim FA beantragt, die im Bescheid angewandte Steuermeßzahl von 10 v. T. auf 5 v. T. zu ermäßigen. Das FA sah das Schreiben als Einspruch gegen den Grundsteuermeßbescheid an und verwarf ihn durch Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 1965 wegen verspäteter Einlegung des Rechtsmittels als unzulässig.

Nachdem das FG in der mündlichen Verhandlung die Klage in der Einheitswertsache mit der gegen die Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 1965 gerichteten Klage verbunden hatte, erklärte der Steuerpflichtige, daß er die Klage insoweit zurücknehme, als sie sich gegen die Höhe des Einheitswerts richte. Daraufhin wies die Vorinstanz die Klage "in der Grundsteuermeßbetragsache" durch das in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 301 veröffentlichte Urteil kostenfällig ab. Er sah die Grundsteuermeßbetragsveranlagung als noch nicht unanfechtbar geworden an, weil aus dem zusammengefaßten Bescheid für den Adressaten nicht genügend deutlich hervorgehe, daß es sich um zwei selbständig anfechtbare Verwaltungsakte handele. In der Sache selbst hielt die Vorinstanz die Klage für unbegründet, weil das Grundstück Vorratsgelände der KG sei.

Der Steuerpflichtige beantragt mit seiner Revision, die Steuermeßzahl auf 5 v. T. festzusetzen; denn zum Stichtag der Fortschreibungsveranlagung sei eine künftige Nutzung des Grundstücks für eigenbetriebliche Zwecke der KG nicht mehr zu erwarten gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

1. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß der Bescheid auch insoweit als rechtzeitig angefochten angesehen werden muß, als er die Grundsteuermeßbetragsveranlagung betrifft. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige sich zunächst nur gegen die Zulässigkeit der Einheitswertfortschreibung gewandt und lediglich die Aufhebung des Wertfortschreibungsbescheids beantragt hat. Es ist nicht auszuschließen, daß seine Behauptung zutrifft, er habe aus dem Bescheid entnommen, sein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid habe die Wirkung, daß zugleich mit der Einheitswertfeststellung auch die Grundsteuermeßbetragsveranlagung angefochten sei. Zu dieser Auffassung konnte der Steuerpflichtige nach dem Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung gelangen, nach der als zulässiges Rechtsmittel "gegen diesen Bescheid" der Einspruch genannt ist. Diese Formulierung ist irreführend. Der Einheitswertbescheid und der Bescheid über die Grundsteuermeßbetragsveranlagung sind zwar zwei selbständige und je für sich anfechtbare Verwaltungsakte, die nur äußerlich in einem Vordruck zusammengefaßt sind (vgl. § 229 AO a. F.). Durch den Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung wird aber der Eindruck erweckt, es handele sich um einen nur durch ein Rechtsmittel anfechtbaren einheitlichen Bescheid. Dieser Anschein wird auch nicht, wie das FA annimmt, durch die Überschrift ("Einheitswertbescheid und Grundsteuermeßbescheid") oder durch die Untergliederung in die Abschnitte "A. Einheitswert", "B. Grundsteuermeßbetrag" oder schließlich am Schluß des Vordrucks durch die unter "D. Rechtsmittelbelehrung" gemachten Ausführungen ausgeräumt.

Ist sonach nicht auszuschließen, daß der Steuerpflichtige auf Grund der irreführenden Fassung der Rechtsmittelbelehrung mit seinem Einspruch gegen den Einheitswertbescheid zugleich auch ein Rechtsmittel gegen den Grundsteuermeßbescheid einzulegen glaubte, ist er nach Treu und Glauben so zu stellen, wie wenn das Rechtsmittel die vermeintliche Rechtswirkung gehabt hätte. Denn mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wäre es unvereinbar, dem Steuerpflichtigen eine nicht fristgerechte Rechtsmitteleinlegung entgegenzuhalten, die allein durch eine mißverständliche Rechtsmittelbelehrung veranlaßt wurde. Dementsprechend ist der rechtzeitig eingelegte Einspruch gegen den Einheitswertbescheid zugleich als Einspruch gegen den Grundsteuermeßbescheid zu betrachten. Desgleichen ist die Einspruchsentscheidung vom 30. April 1963 auch als in der Grundsteuermeßbetragssache ergangen anzusehen. Bei dieser Beurteilung ist der gesondert gestellte Antrag des Steuerpflichtigen auf Änderung der Steuermeßzahl und die daraufhin ergangene Einspruchsentscheidung des FA vom 23. Juli 1965 gegenstandslos.

2. In materieller Hinsicht rügt der Steuerpflichtige mit Recht, daß die Vorentscheidung auf einer Rechtsverletzung beruhe. Das Urteil des FG wird durch die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen. Nach § 33 Nr. 1 GrStDV beträgt die Steuermeßzahl für unbebaute Grundstücke 10 v. T., wenn die Grundstücke für eigene oder fremde gewerbliche oder betriebliche Zwecke genutzt werden oder Vorratsgelände öffentlicher oder gewerblicher Betriebe sind. Da im Streitfall das Grundstück nicht für gewerbliche oder betriebliche Zwecke genutzt wurde, käme eine Anwendung der Steuermeßzahl 10 v. T. nur in Betracht, wenn das Grundstück als Vorratsgelände anzusehen wäre. Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs im Sinne von § 33 Nr. 1 GrStDV ist nach der Rechtsprechung des Senats anzunehmen, wenn nach den objektiven Verhältnissen am Stichtag damit zu rechnen ist, daß das Grundstück in Zukunft für eigengewerbliche Zwecke des Betriebs genutzt werden wird (vgl. die Urteile des Senats III 204/54 U vom 3. Juni 1955, BFH 61, 88, BStBl III 1955, 231; III 186 und 187/54 U vom 3. Dezember 1954, BFH 60, 28, BStBl III 1955, 11; ebenso das nicht veröffentlichte Urteil III 213/61 vom 29. Januar 1965). Die Vorinstanz hat diese Voraussetzung als erfüllt angesehen, weil der Steuerpflichtige selbst das Grundstück nach dem Erwerb im Jahre 1954 als Vorratsgelände der KG bezeichnet habe und das Grundstück in den Bilanzen der KG aufgenommen worden sei. Diese Feststellungen reichen jedoch für die rechtliche Schlußfolgerung der Vorinstanz nicht aus. Die Erklärung des Steuerpflichtigen nach dem Grundstückserwerb über die vorgesehene künftige betriebliche Grundstücksnutzung rechtfertigt noch nicht die Unterstellung, daß diese Absicht auch noch an dem hier maßgebenden Stichtag, 1. Januar 1959, bestand. Ebensowenig läßt die bilanzmäßige Behandlung einen zwingenden Schluß darauf zu, daß nach den Stichtagsverhältnissen mit einer künftigen eigenbetrieblichen Nutzung des Grundstücks durch die KG zu rechnen war. Das gilt um so mehr, als der Steuerpflichtige behauptet, die Aufnahme des Grundstücks in die Bilanzen der KG sei auf die irrtümliche Annahme eines Aktivierungszwanges zurückzuführen gewesen.

3. Da die Vorentscheidung somit durch die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht getragen wird, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird daher gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese wird unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen nunmehr erneut zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung wird der Vorinstanz nach § 143 Abs. 2 FGO übertragen.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 292

BFHE 1968, 135

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