Leitsatz (amtlich)

Wird ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, weil die prozessualen Voraussetzungen für eine sachliche Prüfung des Aussetzungsantrages fehlen, so sind Dritte auch dann nicht notwendig beizuladen, wenn sie nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses vom 13. September 1968 III B 84/67 (BFHE 93, 508, BStBl II 1969, 38) im Rahmen der nach § 69 FGO vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides beizuladen gewesen wären.

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 1, 3, § 69

 

Tatbestand

Der Antragsteller und E waren Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, die in F und O eine Agentur betrieb und in der Zwischenzeit aufgelöst ist. Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen für das Kalenderjahr 1971 schätzte der Antragsgegner (FA) die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 28. Januar 1974 Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Kalenderjahr 1971 sowie über die Zerlegung des einheitlichen Steuermeßbetrages nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital für den Erhebungszeitraum 1971.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüche, zu deren Begründung die Steuererklärungen abgegeben wurden, wies das FA als unzulässig, weil verspätet, zurück. Gegen das Urteil des FG, das die Entscheidung des FA bestätigte, legten der Antragsteller und E als Beigeladener des finanzgerichtlichen Verfahrens Revision ein, auf die mit Urteil vom 21. April 1977 IV R 218/75 die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen wurde.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1975 beantragte der Antragsteller beim BFH die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides 1971 sowie des Zerlegungsbescheides 1971. Durch Beschluß vom 25. April 1977 IV S 19/75 ist das Verfahren über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Zerlegungsbescheides 1971 gemäß § 73 Abs. 1 FGO abgetrennt worden.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Zerlegungsbescheides 1971 kann keinen Erfolg haben, weil für diesen Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Aus dem Verhältnis zwischen Gewinnfeststellungsbescheid, Steuermeßbescheid und Zerlegungsbescheid in Verbindung mit den Vorschriften über die Zerlegung (§§ 382 ff. AO, §§ 185 ff. AO 1977, §§ 28 ff. GewStG) folgt, daß Zerlegungsbescheide nicht mit der Begründung angefochten werden können, der zerlegte Steuermeßbetrag, der wiederum auf dem Gewinnfeststellungsbescheid beruht (§ 35 b GewStG), sei unrichtig festgesetzt worden (§ 232 Abs. 4 AO, § 351 Abs. 2 AO 1977). Ist die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides - hier des Gewinnfeststellungsbescheides - beantragt, so besteht für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids - hier des Zerlegungsbescheides - in der Regel kein schutzwürdiges Interesse, weil gemäß § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides zur Folge hat, daß auch die Vollziehung des Folgebescheides ausgesetzt wird. Die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids begründet eine Verpflichtung der für den Erlaß des Folgebescheids zuständigen Behörde, die Vollziehung dieses Bescheids auszusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1960 I 126/59 S, BFHE 71, 385, BStBl III 1960, 393).

Für die Anfechtung des Zerlegungsbescheides sowie für eine Aussetzung der Vollziehung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis nur insoweit, als eine Änderung der Zerlegung des Meßbetrages begehrt wird. In dieser Hinsicht ergibt sich zwar im Streitfall aus der vom Antragsteller vorgelegten Erklärung über die Zerlegung, daß er ein gegenüber dem Zerlegungsbescheid vom 28. Januar 1974 unterschiedliches Zerlegungsverhältnis begehrt. Aber auch mit diesem Begehren kann der Antragsteller keinen Anspruch auf den vorläufigen Rechtsschutz des § 69 FGO geltend machen. Denn mit seinem Antrag kann er nicht, wie § 69 FGO voraussetzt, ereichen, daß er vorläufig nicht oder in einer geringeren Höhe aus dem Zerlegungsbescheid in Anspruch genommen wird. Vielmehr hätte eine (vorläufige) Änderung der Zerlegung entsprechend seinem Antrag zur Folge, daß die Belastung mit Abgabenansprüchen höher würde. Nach der vom Antragsteller in der Erklärung über die Zerlegung des einheitlichen Meßbetrages vorgesehenen Zerlegung wäre der Gemeinde (F), die den höheren Hebesatz anwendet (320 v. H. gegenüber 315 v. H. der Gemeinde O) der größere Anteil des einheitlichen Steuermeßbetrages zuzuteilen.

2. Die Entscheidung kann ohne Beiladung des weiteren Gesellschafters und der am Zerlegungsverfahren beteiligten Gemeinden ergehen.

Zwar sind nach § 60 Abs. 3 FGO Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Im Verfahren über die Zerlegung eines Steuermeßbetrages sind nach § 186 AO 1977 (§ 384 AO) der Steuerpflichtige und die betroffenen Gemeinden beteiligt. Ihnen gegenüber kann die Entscheidung über die Zerlegung nur einheitlich ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1971 IV R 219/68, BFHE 102, 460, BStBl II 1971, 714). Dies führt jedoch im Streitfall nicht zur notwendigen Beiladung der am Zerlegungsverfahren Beteiligten, weil keine Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Zerlegung, sondern über die Zulässigkeit des Antrages nach § 69 FGO getroffen wird.

Der Senat kann dabei offenlassen, ob - entsprechend der Auffassung des BFH im Beschluß vom 13. September 1968 III B 84/67 (BFHE 93, 508, BStBl II 1969, 38) - die Grundsätze der notwendigen Beiladung im Aussetzungsverfahren Anwendung finden. Nach der Entscheidung III B 84/67 sind im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides die Personen von Amts wegen nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen, die im Klageverfahren nach § 60 Abs. 3 FGO beizuladen sind, wenn die Aussetzungsentscheidung auch ihnen gegenüber wirkt. Das ist der Fall, wenn über die Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides entschieden wird (Beschluß III B 84/67).

Im Streitfall beschränkt sich die Wirkung der Entscheidung jedoch auf die Frage, ob ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers an gerichtlichem Rechtsschutz besteht. Diese Entscheidung braucht nicht notwendigerweise einheitlich zu ergehen; sie kann gegenüber den am Zerlegungsverfahren Beteiligten unterschiedlich getroffen werden. Die Frage der Zulässigkeit des Aussetzungsantrages betrifft nur die Interessen des Antragstellers, sie berührt nicht die rechtlichen Interessen anderer (vgl. den BFH-Beschluß vom 21. November 1969 III B 32/69, BFHE 97, 290, BStBl II 1970, 98). Wird daher ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, weil die prozessualen Voraussetzungen für eine sachliche Prüfung des Aussetzungsantrages fehlen, so sind Dritte auch dann nicht notwendig beizuladen, wenn sie nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses III B 84/67 im Rahmen der nach § 69 FGO vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides beizuladen gewesen wären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72076

BStBl II 1977, 612

BFHE 1978, 18

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