Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Skontrationsverträgen; Voraussetzungen für Entscheidung nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG

 

Leitsatz (NV)

1. Verrechnungs-(Skontrations-)Verträge, deren Wirksamkeit vom Bestehen einer Umsatzsteuerschuld des Steuerpflichtigen für die Umsätze seiner zunächst als Organgesellschaften angesehenen Tochtergesellschaften (Personengesellschaften) abhängig ist, werden durch eine Neuveranlagung ohne Erfassung der Umsätze der Gesellschaften hinfällig (Wegfall der Geschäftsgrundlage).

2. Die Revision kann bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG auch dann ohne weitere Begründung zurückgewiesen werden (durch Beschluß), wenn schwierige Rechtsfragen zu Ungunsten des Revisionsklägers zu entscheiden sind.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 226, 218 Abs. 2, § 37 Abs. 2; BGB § 158 Abs. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 7

 

Gründe

Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden, daß der Senat aufgrund dessen durch Beschluß entscheiden kann und daß dieser Beschluß keiner weiteren Begründung bedarf (Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Sie hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Die Äußerung der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 26. April und 3. Mai 1994 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

Der Umstand, daß es sich um eine Entscheidung komplizierter Rechtsfragen handelt, die womöglich nicht von vornherein zweifelsfrei zu Ungunsten der Klägerin zu beantworten sind, schließt eine Entscheidung nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG nicht aus (Senat, Beschluß vom 26. Juli 1988 VII R 5/85, BFH/NV 1988, 798; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 126 Anm. 5).

Unter Entscheidung ohne Begründung im übrigen bemerkt der Senat zu dem Hauptangriff, den die Revision der Klägerin gegen das den angefochtenen Abrechnungsbescheid im wesentlichen bestätigende Urteil des Finanzgerichts (FG) führt:

Selbst wenn zwischen den Beteiligten -- unter Einbeziehung auch der für die Tochtergesellschaften der Klägerin zuständigen Finanzämter -- Skontrationsverträge zustande gekommen wären, mit der Wirkung, daß die seinerzeit angenommene Umsatzsteuermehrschuld der Klägerin für die Umsätze der damals als Organgesellschaften angesehenen Töchter (Personengesellschaften) durch die Zurechnung der Umsatzsteuerzahlungen dieser Gesellschaften erfüllt, eine Zahlung also auf Rechnung der Klägerin geleistet worden wäre (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), so ständen der Klägerin entsprechende Erstattungsansprüche nicht (mehr) zu. Derartige Verträge wären nämlich gegenstandslos geworden, nachdem die Klägerin nicht mehr, wie noch in den infolge ihrer Einsprüche nicht bestandskräftig gewordenen früheren Steuerbescheiden, für die Umsätze der Gesellschaften, sondern nur noch für ihre eigenen Umsätze veranlagt wurde. Insoweit folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis der Vorinstanz, die entschieden hat, daß ein Skontrationsvertrag mangels einer Steuerschuld der Klägerin für die Fremdumsätze "ins Leere" gegangen oder unwirksam geworden wäre.

Entgegen der Ansicht der Revision kann nicht davon ausgegangen werden, daß entsprechende Verträge vom Bestand der Umsatzsteuerforderung des Finanzamts (FA) gegen die Klägerin wegen der Umsätze der Gesellschaften unabhängig gewesen wären. Das FG hat keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, daß die Beteiligten eine Vereinbarung mit dem Inhalt getroffen hätten, daß die zur Verrechnung gestellten Forderungen unabhängig von ihrer Rechtsgültigkeit neu begründet oder anerkannt werden sollten. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung ist, wenn nicht zwingend, so jedenfalls möglich. An sie ist das Revisionsgericht gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Bei den etwa geschlossenen Vereinbarungen kann es sich somit nur um Verrechnungsverträge (in Gestalt der Skontration) handeln, nicht um "Steuerschulderfüllungsverträge" der von der Klägerin angenommenen Art. Diese Abreden sind vor allem unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten auszulegen (z. B. Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. März 1978 VIII R 60/73, BFHE 125, 326, 330, BStBl II 1978, 606). Wie der Vorentscheidung zu entnehmen ist, hat das FG die "Vereinbarungen" dahin verstanden, daß ihre Wirksamkeit vom Bestehen einer Umsatzsteuerschuld der Klägerin für die Umsätze der Gesellschaften abhängig war. Auch diese Auslegung ist für den Senat verbindlich. Sie entspricht insbesondere der Interessenlage der Organgesellschaften, die nur unter der Voraussetzung, daß ihre Umsätze -- rechtsbeständig -- bei der Klägerin versteuert würden, mit einer Verrechnung ihrer Umsatzsteuerzahlungen auf die (vermeintliche) Umsatzsteuermehrschuld der Klägerin einverstanden gewesen sein konnten. Mit dem Wegfall dieser die Geschäftsgrundlage bildenden Voraussetzung spätestens durch die Neuveranlagung der Klägerin aufgrund der geänderten Rechtsprechung (ohne Erfassung der Umsätze der Gesellschaften) -- vgl. dazu Senat, Urteil vom 30. Oktober 1984 VII R 70/81 (BFHE 142, 207, 211, BStBl II 1985, 114) -- sind etwaige Verrechnungsabreden hinfällig geworden. Insoweit gilt im Ergebnis nichts anderes als in dem Falle, daß die zur Verrechnung gestellte Forderung sich als nicht beständig erweist (hierzu Senat, Urteil vom 5. August 1986 VII R 167/82, BFHE 147, 398, 400 f., BStBl II 1987, 8 -- zu § 226 AO 1977, § 158 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Ebenso wie in diesem Falle verliert eine auf der Grundlage einer solchen Vereinbarung etwa erfolgte Aufrechnung (durch das FA) die ihr zunächst beigelegte Erlöschenswirkung.

Das gilt unabhängig davon, ob der Vereinbarung dingliche oder nur obligatorische Wirkung zukommt. Ein Grund dafür, daß bei einem Skontrationsvertrag ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommen sollte, ist nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420041

BFH/NV 1995, 91

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