Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung einer zulassungsfreien Revision

 

Leitsatz (NV)

Ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO wegen fehlender Entscheidungsgründe liegt vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung des FG auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Das ist nicht der Fall, wenn das FG einen umstrittenen Schuldenabzug unter Hinweis auf eine vom Kläger eingegangene Schuldverpflichtung sowie auf die für den Abzug einer Verbindlichkeit einschlägige Vorschrift des § 103 BewG begründet.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat seine fristgerecht eingelegte Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 17. März 1994 mit dem am 6. September 1994 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz vom 5. September 1994 wirksam zurückgenommen. Die Einwilligung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt -- FA --) war nicht erforderlich, da das FA nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte (§ 125 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Das FA rügt mit seiner gegen das Urteil des FG eingelegten Revision die Verletzung des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützte Revision des FA ist unzulässig; sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO). Denn das FA hat keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, die schlüssig einen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ergeben.

1. Das FA macht zwar einen Verstoß gegen § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO geltend. Es trägt jedoch keine Tatsachen vor, die zu der Annahme führen könnten, die Entscheidung der Vorinstanz sei nicht, wie es § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO erfordert, mit Gründen versehen. Zwar ist § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht nur dann verletzt, wenn die Entscheidung des FG jeglicher Begründung entbehrt. Ein Verstoß kann auch dann vorliegen, wenn ein Teil der wesentlichen Gründe fehlt. Es muß sich dann aber um grobe Fehler handeln (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Januar 1984 IX R 58/92, BFH/NV 1994, 806 m. w. N.). Der Sinn des Begründungszwanges des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO liegt darin, den Prozeßbeteiligten die Kenntnis darüber zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885). Deshalb kann von einem wesentlichen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO erst dann ausgegangen werden, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Recht mäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. Senats beschluß vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46; BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417).

2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Revisionsbegründungsschrift des FA enthält keinen hinreichenden Tatsachenvortrag, der einen wesentlichen Begründungsmangel der Vorentscheidung im Sinne der oben dargelegten Grundsätze ergibt.

Das FA räumt selbst ein, daß das Urteil eine Begründung enthalte und "§ 103 Abs. 1 BewG als Entscheidungsnorm" nenne. Das FA vermißt jedoch, daß das FG nicht darauf eingegangen sei, "was eine Schuld im Sinne dieser Vorschrift ist und ob der im Rahmen einer Beweisaufnahme festgestellte Sachverhalt die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 BewG erfüllt"; es fehle jede Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Verpflichtungserklärung des Klägers und der Beigeladenen zu 1 rechtlich zu würdigen sei.

Dieser Vortrag des FA gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß das angegriffene Urteil nicht oder nicht ausreichend begründet sei oder daß die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder mißverständlich und verworren seien (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 24) und deshalb den Beteiligten eine Überprüfung des Urteils auf seine Rechtmäßigkeit hin entzogen wäre. Denn das FG begründet den umstrittenen Schuldabzug insoweit ausdrücklich unter Hinweis auf die eingegangene Schuldverpflichtung sowie die für den Schuldabzug einschlägige Vorschrift des § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes. Damit läßt die Entscheidung hinreichend deutlich erkennen, welche Überlegungen für das FG maßgeblich waren. Ob die vom FG aus der Verpflichtungserklärung des Klägers und der Beigeladenen zu 1 gezogene Schlußfolgerung hingegen sachlich gerechtfertigt ist, muß im Rahmen der Prüfung des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dahingestellt bleiben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 812

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