Tz. 34

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Der Geschäftsführer oder der Vereinsvorstandsvorsitzende muss die in sein Ressort fallenden Aufgaben nicht in eigener Person erledigen, sondern darf sie kraft seiner internen Organisationsgewalt auf andere Personen delegieren. Dies gilt auch für die Aufgabenübertragung auf Mitarbeiter nachgeordneter Hierarchieebenen.

 

Tz. 35

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Eine dergestalt geschaffene arbeitsteilige Vereins-Verwaltungsorganisation führt zu einer Vervielfältigung strafrechtlicher Verantwortlichkeiten. So kann ein innerhalb des Vereins aufgetretener Fehler die Verantwortungsbereiche mehrerer Beteiligter auf horizontaler Ebene wie auch in der vertikalen Hierarchiestruktur des Vereins betreffen. Die Verantwortungskette kann sich von dem letztverursachenden Arbeiter über mittlere Führungskräfte bis hin zur Geschäftsleitung bzw. Vorstandsebene ziehen. Delegation als solche vermeidet weder Verantwortung noch Strafe, s. Heerspink in Flore/Tsambikakis, Einführung §§ 377ff. AO Rn. 88.

 

Tz. 36

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Auf jeder Stufe stellt sich die Frage, ob der jeweils betroffene Mitarbeiter alles ihm Zumutbare und Mögliche getan hat, um die Realisierung eines strafrechtlichen Erfolges zu vermeiden. Hierbei richtet sich das Maß dessen, das zumutbar ist, nach dem jeweils eigenen Kompetenzbereich, s. Heerspink in Flore/Tsambikakis, Einführung §§ 377ff. AO Rn. 88.

Hinweis:

Verantwortungsketten existieren in jeder Organisationseinheit, d. h. grundsätzlich auch in jedem Verein. Hier können diese aber – insbesondere, wenn es sich um ehrenamtlich tätige Mitglieder handelt – deutlich geringer ausgeprägt sein als in "professionellen" Strukturen. Gleichwohl sind diese Verantwortungsketten aber auch hier vorhanden. Abhängig von der Art des betroffenen Deliktes und der betrieblichen Organisation erwachsen aus diesen Ketten unterschiedliche Verantwortlichkeiten: Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob ein Allgemeindelikt oder ein Sonderdelikt verwirklicht wurde.

 

Tz. 37

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Auch wenn ein nachgeordneter Mitarbeiter strafrechtliche Verantwortung zu übernehmen hat, wird dadurch die primäre Verantwortlichkeit des Vereinsvorstands oder Geschäftsführers nicht aufgehoben, aber verändert, s. Heerspink in Flore/Tsambikakis, Einführung §§ 377ff. AO Rn. 93. Der primär Verantwortliche kann sich dann strafrechtlich entlasten, wenn die Delegation der Pflicht in einem umfassenden Sinne ordnungsgemäß war. Anderenfalls kann sich das tatsächliche Risiko einer strafrechtlichen Ahndung für den primär Verantwortlichen sogar erhöhen.

Beachte!

Eine Delegation kann dann als ordnungsmäßig angesehen werden, wenn

  • die Auswahl des Mitarbeiters, auf den delegiert wird, sachgerecht ist (sog. Auswahlpflicht),
  • der Mitarbeiter eindeutig, klar und lückenlos eingewiesen wurde (sog. Instruktionspflicht) und
  • seine Tätigkeiten in der Folge auch sachgerecht überwacht wurden (sog. Überwachungs- und Kontrollpflicht), s. Heerspink in Flore/Tsambikakis, Einführung §§ 377ff. Rn. 95.

Es kann insofern von der Pflichtentrias einer ordnungsgemäßen Delegation gesprochen werden.

 

Tz. 38

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Besondere Anforderungen an die genannten Pflichten werden gestellt, wenn es sich um neu eingestelltes Personal oder bekanntermaßen gefährdete Bereiche des Vereins handelt. Weiterhin ist der Aufsichtspflichtige gehalten, die sachlichen Betriebsmittel in einen funktionstüchtigen Zustand zu versetzen und in diesem zu erhalten, damit es der Belegschaft möglich ist, die ihr obliegenden Pflichten zu erfüllen (sog. Investitionspflicht). Es muss letztlich sichergestellt und überprüft werden, dass zu jeder Zeit ein kompetenter und zuverlässiger Mitarbeiter die Pflichtenerfüllung gewährleistet. Der delegierende Entscheidungsträger muss Pflichtenübertragungen in der Weise organisieren, dass die Pflichtenerfüllung durch die mit ihrer Wahrnehmung betrauten Mitarbeiter stets – auch in Zeiten seiner oder ihrer Abwesenheit (z. B. Urlaub) – gewährleistet ist, s. BGH vom 21.01.1997, NJW 1997, 1237.

Hinweis:

Es ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen, dass in jeder komplexen Verwaltungsstruktur eine Pflichtendelegation erfolgen sollte und erfolgen muss. Diese erfordert neben der sorgfältigen Auswahl geeigneten und ausreichenden Personals eine stete Überprüfung und Überwachung der Abläufe. Das Vornehmen etwaiger Anpassungen bei Erkennen nicht optimaler Strukturen erklärt sich von selbst. Es zeigt sich hierin bereits, dass das Verlangte einem Compliance-Mechanismus sehr nahekommt. Inwieweit ein Compliance-Management-System erforderlich ist oder zumindest als geeignet erscheint, die Anforderungen zu erfüllen, die zumindest für eine strafrechtliche Entlastung von Bedeutung sein könne, s. "Tax Compliance".

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