Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes i. S. d. § 6 Abs. 2 GemVO

 

Leitsatz (NV)

Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt auch vor, wenn ein gemeinnütziger Verein Getränke und Tabakwaren grundsätzlich nur an Vereinsmitglieder verkauft.

 

Normenkette

KStG a.F. § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG §§ 17-19; GemVO § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 3; AO 1977 §§ 14, 68

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, pflegt und fördert den Flugsport; eine besondere Aufgabe sieht er in der Ausbildung und Betreuung der Jugend (§ 2 der Satzung).

Die Flugveranstaltungen finden auf einem Flugplatz in der Nähe des Vereinssitzes statt. Dort befindet sich eine vereinseigene Flugzeughalle, in der die Fluggeräte untergebracht sind. An die Halle ist ein Vereinsheim angebaut, das die Vereinsmitglieder in Selbsthilfe errichtet haben. Dieses Vereinsheim ist nicht bewirtschaftet. Es ist nur an den Tagen geöffnet, an denen Flugveranstaltungen stattfinden oder die Flugzeuge gewartet werden. Im Anschluß an die Flüge erledigen die Vereinsmitglieder in dem Vereinsheim notwendige schriftliche Arbeiten, planen und besprechen vereinsinterne Maßnahmen oder bleiben aus geselligen Gründen beieinander. Monatlich einmal werden in dem Vereinsheim auch sog. Kameradschaftsabende abgehalten.

Der Kläger kaufte im eigenen Namen Getränke und Tabakwaren ein, die er in dem Vereinsheim zur Abgabe an seine Mitglieder bereitstellte. Irgendwelche weiteren Leistungen im Zusammenhang mit dem Warenvertrieb (z. B. Verkaufshandlungen, Bedienung) hat der Kläger nicht erbracht. Die Mitglieder konnten Waren entnehmen und hatten dafür einen Abgabepreis zu zahlen, der dem Einkaufspreis entsprach. In wenigen Fällen erhielten auch Vereinsfremde Getränke von Mitgliedern. Die Mitglieder entrichteten in der Regel einen höheren als den vorgesehenen Abgabepreis.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte den Gewinn des Klägers im Streitjahr (1975) aus dem Überschuß (5 266 DM) der Einnahmen (12 760 DM) über die Ausgaben (7 494 DM) und setzte die Körperschaftsteuer entsprechend fest.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Körperschaftsteuer 1975 auf null DM herab.

Mit seiner von dem erkennenden Senat durch Beschluß vom 20. November 1980 I B 39/80 zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat seiner Entscheidung zutreffend das vor dem 1. Januar 1977 geltende Gemeinnützigkeitsrecht (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes und § 7 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung, jeweils in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung - KStG a. F.; KStDV a. F. - in Verbindung mit der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 - GemV -, BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6, zuletzt geändert durch Art. 5 des Steueränderungsgesetzes vom 18. August 1969 - StÄndG 1969 -, BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477 - altes Gemeinnützigkeitsrecht -) zugrunde gelegt. Dieses Recht ist auch für die Entscheidung des Senats maßgebend.

2. Das FG hat zu Unrecht einen (steuerschädlichen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers verneint.

a) Körperschaften, die nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen, sind von der Körperschaftsteuer befreit (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F.). Diese sachliche objektive Steuerbefreiung gilt nicht uneingeschränkt: Die Steuervergünstigung wird zwar nicht grundsätzlich dadurch ausgeschlossen, daß ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben sind; die Steuerbefreiung entfällt jedoch insoweit, d. h., die Körperschaft wird grundsätzlich (nur) mit dem Überschuß der Einnahmen über die Unkosten aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (vgl. § 9 Abs. 3 GemV) steuerpflichtig. In diesem Umfang wird die Steuervergünstigung eingeschränkt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß in den Fällen, in denen eine gemeinnützige Körperschaft die Mittel zur Erfüllung ihres gemeinnützigen Satzungszweckes durch Maßnahmen erwirbt, die an sich außerhalb der gemeinnützigen Betätigung liegen, die Steuervergünstigung insoweit versagt werden soll, als ein über eine bloße Vermögensverwaltung hinausgehender Geschäftsbetrieb vorliegt und naturgemäß zu anderen Unternehmen gleicher Geschäftsrichtung mehr oder weniger in Wettbewerb tritt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 25. Juli 1935 III A 378/34, RStBl 1935, 1493). Nach der Definition in § 6 Abs. 2 GemV (jetzt: § 14 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht; dabei ist die Absicht, Gewinn zu erzielen, nicht erforderlich.

b) Der Kläger hat mit der entgeltlichen Abgabe von Getränken und Tabakwaren in seinem Clubhaus einen (steuerschädlichen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. des § 6 Abs. 2 GemV unterhalten.

(1) Die Voraussetzungen eines solchen Geschäftsbetriebs sind hinsichtlich der selbständigen, über eine Vermögensverwaltung hinausgehenden Tätigkeit und hinsichtlich der Erzielung von Einnahmen zwischen den Beteiligten nicht streitig.

(2) Der Kläger ist auch nachhaltig tätig geworden. Zum Begriff ,,nachhaltig" verweist der Senat auf seine Ausführungen in dem Urteil vom 21. August 1985 I R 60/80 (BFHE 145, 33; BStBl II 1986, 88) unter 2. b) (2) der Entscheidungsgründe. Der Kläger hat - wie die von ihm dem FG vorgelegten Kontoauszüge ,,Erlöse Clubheim" ausweisen - über Jahre hinweg und auch im Streitjahr immer wieder Getränke und Tabakwaren von verschiedenen Unternehmen zur Abgabe in dem Clubhaus gekauft. Diese Betätigungen sind schon wegen ihrer ständigen Wiederholungen und der gegebenen Regelmäßigkeit nachhaltig i. S. des § 6 Abs. 2 GemV.

(3) Der Kläger hat sich schließlich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Er hat verschiedene Unternehmen für die Lieferungen der Getränke und Tabakwaren ausgesucht, die Bestellungen zu den erforderlichen Zeitpunkten aufgegeben, die Waren abgenommen, sie bereitgestellt und -gehalten, die Rechnungen der Lieferanten entgegengenommen und beglichen, ferner die von den Abnehmern entrichteten Entgelte an sich genommen und die Vorgänge auf dem Konto ,,Erlöse Clubheim" gebucht. Der Kläger hat sich damit in vielfältiger Weise am allgemeinen Wirtschaftsleben betätigt. Dies geschah, wie das FA zutreffend hervorhebt, in (fast) gleicher Weise wie die gewerbliche Betätigung eines Automatenaufstellers. Daran ändert es nichts, daß Getränke und Tabakwaren im allgemeinen den Vereinsmitgliedern vorbehalten waren. Diese bildeten jedoch keinen von vornherein abgeschlossenen Personenkreis. Wie das FG unwidersprochen festgestellt hat, haben auch Vereinsfremde gelegentlich Waren aus dem Bestand des Klägers gegen Entgelt erhalten (vgl. auch Müthling/Fock, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 3, letzter Absatz - S. 12 -, die eine Gewerbesteuerpflicht auch dann bejahen, ,,wenn die Leistungen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausschließlich den Mitgliedern angeboten werden").

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat in dem Sachverhalt seines Urteils - für den Senat bindend, § 118 Abs. 2 FGO - festgestellt, daß in dem Clubheim einmal im Monat sog. Kameradschaftsabende abgehalten werden. Dazu hat es - in Übereinstimmung mit seiner Rechtsauffassung - keine weiteren Tatsachen ermittelt und festgestellt. Bei der erneuten Behandlung der Sache wird das FG, von der Rechtsauffassung des Senats ausgehend, zu prüfen haben, ob die Kameradschaftsabende steuerrechtlich als gesellige Veranstaltungen i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 11 GemV zu werten und ggf. als solche mit den Besonderheiten aus § 9 Abs. 3 GemV steuerlich zu behandeln sind. Die bei diesen Abenden angefallenen Überschüsse können erforderlichenfalls gemäß § 162 AO 1977 zu schätzen sein. Das FA wird zu prüfen haben, ob es die sich aufgrund der neuen AfA-Sätze ergebende Körperschaftsteuer in einem weiteren Änderungsbescheid festsetzt und diesen zum Gegenstand des Verfahrens macht (§ 68 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 239

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