Krankheitskosten aufgrund eines Wegeunfalls sind als Werbungskosten abziehbar

Hintergrund: Verkehrsunfall auf der Rückfahrt von der ersten Tätigkeitsstätte zur Wohnung
A erlitt durch einen Verkehrsunfall auf dem Weg von ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte (ab 2014: "erste Tätigkeitsstätte") zu ihrer Wohnung erhebliche Verletzungen. Die dadurch verursachten Krankheitskosten, soweit sie nicht von der Berufsgenossenschaft übernommen wurden, machte sie als WK bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA und ihm folgend das FG lehnten den WK-Abzug mit der Begründung ab, die Aufwendungen seien nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG mit der Entfernungspauschale abgegolten.
Entscheidung: Unfallbedingte Krankheitskosten sind neben der Entfernungspauschale als WK abziehbar
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Zwar sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG durch die Entfernungspauschale im Grundsatz sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind (BFH, Urteil v. 20.3.2014, VI R 29/13, BStBl II 2014, 849). Das gilt für Unfallkosten aber nur, soweit es sich um Aufwendungen des Arbeitnehmers für "die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte", also um echte Wege- bzw. Fahrtkosten handelt.
Die Abgeltungswirkung erstreckt sich damit nur auf die fahrzeug- und wegstreckenbezogenen Aufwendungen (z.B. Reparaturkosten). Andere Aufwendungen, insbesondere Krankheitskosten als Folge einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden von der Abgeltungswirkung dagegen nicht erfasst. Sie sind neben der Entfernungspauschale als WK abziehbar. Der BFH teilt insoweit (d.h. hinsichtlich der Krankheitskosten) die Verwaltungsauffassung, nach der Unfallkosten zusätzlich zur Entfernungspauschale als WK abziehbar sind (BMF, Schreiben v. 31.10.2013, BStBl I 2013, 1376, Tz. 4, sowie Abschn. H 9.10 LStH "Unfallschäden").
Die Entfernungspauschale bezweckt nicht die Abgeltung von Körperschäden
Der BFH begründet seine Auffassung mit dem Sinn und Zweck der Entfernungspauschale. Damit sollen berufliche Mobilitätskosten begünstigt werden. Das folgt aus der wegstreckenbezogenen Bemessung der Pauschale, die insbesondere aus verkehrspolitischen Gründen eingeführt wurde (BT-Drs. 14/4242, S. 5). Aufwendungen zur Beseitigung oder Linderung von Körperschäden stellen jedoch keine beruflichen Mobilitätskosten dar. Es handelt sich nicht um Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Das gilt auch dann, wenn die körperliche Beeinträchtigung auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten ist. Denn Aufwendungen zur Beseitigung oder Linderung von Körperschäden sind weder fahrzeug- noch wegstreckenbezogen.
Hinweis: Die Verwaltungsregelung berücksichtigt Sach- und Personenschäden gleichermaßen als "Unfallschäden"
Nach BMF, Schreiben v. 31.10.2013, BStBl I 2013, 1376, Tz. 4, sowie Abschn. H 9.10 LStH sind die Kosten für die Beseitigung von "Unfallschäden", d.h. von Sach- und Personenschäden, als allgemeine WK nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG neben der Entfernungspauschale zu berücksichtigen. Der BFH stellt einschränkend klar, dass dieser WK-Abzug nur für die Berücksichtigung ärztlicher Behandlungskosten gilt, nicht auch für die Beseitigung der Schäden am Fahrzeug oder für den Verlust des Fahrzeugs (Eigen- und Fremdschäden). Für diese Aufwendungen (z.B. Reparaturkosten) scheidet der WK-Abzug neben der Entfernungspauschale aus. Dass mit der Entfernungspauschale insbesondere verkehrspolitische Gründe verfolgt werden, zeigt auch die (befristete) Anhebung der Pauschale von 2021 bis 2026 nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 8 EStG n.F. (Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 v. 21.12.2019, BGBl I 2019, 2886). Da es sich bei den ärztlichen Behandlungskosten um WK handelt, scheidet der Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG aus.
BFH Urteil vom 19.12.2019 - VI R 8/18 (veröffentlicht am 26.03.2020)
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