Abwärtsverschmelzung mit ausländischer Anteilseignerin

Da bei einer Abwärtsverschmelzung die zum Vermögen der Muttergesellschaft gehörende Beteiligung an der Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft auf deren Anteilseigner übergeht, ist für den Buchwertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft entscheidend, ob beim Anteilseigner die stillen Reserven weiterhin dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen.

Hintergrund: Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die ausländische Tochtergesellschaft

Die Anteile der luxemburgischen Kapitalgesellschaft (S.a.r.l.) wurden zunächst vollständig von einer inländischen GmbH (Muttergesellschaft) gehalten. In 2009 wurde die Muttergesellschaft auf die S.a.r.l., also die Tochtergesellschaft (T), verschmolzen (Abwärtsverschmelzung, downstream-merger). Mit der Verschmelzung ging das Vermögen der Muttergesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die T über. Die von der Muttergesellschaft gehaltenen Anteile an der T wurden an die in den USA ansässige A-Corporation, die bisher sämtliche Anteile an der Muttergesellschaft hielt, ausgekehrt. In der steuerlichen Schlussbilanz der Muttergesellschaft zum Übertragungsstichtag wurden sämtliche Aktiva und Passiva, auch die Anteile an der T, mit dem Buchwert angesetzt. 

Das FA setzte die Anteile an der T zur Wahrung des inländischen Besteuerungsrechts mit dem gemeinen Wert an (Rz. 11.19 des UmwSt-Erlasses des BMF v. 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314). Das führte zu einem Gewinn, der zwar nach § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz blieb, jedoch nach § 8b Abs. 3 KStG zum Ansatz von 5% als nicht abziehbare Betriebsausgaben führte. Das FG gab der Klage der T als Rechtsnachfolgerin der Muttergesellschaft mit der Begründung statt, der Ansatz mit dem Buchwert folge aus § 11 Abs. 2 Satz 2 UmwStG als spezielle Bewertungsvorschrift.

Entscheidung: Ansatz des gemeinen Werts zur Sicherung der stillen Reserven

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG sind bei Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Der Buchwert kann angesetzt werden, soweit die spätere Besteuerung der stillen Reserven bei der übernehmenden Körperschaft sichergestellt ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 UmwStG sind die Anteile an der übernehmenden Körperschaft mindestens mit dem Buchwert ... höchstens mit dem gemeinen Wert anzusetzen. § 11 Abs. 2 UmwStG ermöglicht demnach grundsätzlich den Buchwertansatz.

Strittiger Wertansatz bei Abwärtsverschmelzung

Streitig ist allerdings, ob der Buchwertansatz bei einer Abwärtsverschmelzung auch für die Beteiligung an der Tochtergesellschaft gilt. Das wird vom Schrifttum – ebenso wie vom FG – überwiegend bejaht. Das in § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UmwStG enthaltene Tatbestandsmerkmal "übergehende Wirtschaftsgüter" erfasse nur solche Gegenstände, die auf die übernehmende Körperschaft übergehen. Dazu gehöre das Wirtschaftsgut "Beteiligung an der Tochtergesellschaft" nicht. Die Behandlung dieses Wirtschaftsguts richte sich allein nach der speziellen Regelung (abschließend) des § 11 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, ohne die Einschränkungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Folglich sei es für den Buchwertansatz unschädlich, dass die stillen Reserven bei einem ausländischen Anteilseigner nicht mehr dem deutschen Besteuerungszugriff unterlägen.

Buchwertansatz verlangt zusätzliche Voraussetzungen

Der BFH widerspricht dieser Auffassung. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut gehört die "Beteiligung an der Tochtergesellschaft" zu den übergehenden Wirtschaftsgütern i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG. Die Beteiligung geht als Wirtschaftsgut an die Anteilseigner der Muttergesellschaft über. Die Abwärtsverschmelzung kann daher nur bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG auf Antrag ohne Aufdeckung der stillen Reserven vollzogen werden. Diese weiteren Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn bei der US-amerikanischen Corporation, die die "Beteiligung an der Tochtergesellschaft" übernimmt, unterliegen die stillen Reserven des Wirtschaftsguts nicht mehr dem deutschen Besteuerungs-recht. Das DBA-USA weist dem Ansässigkeitsstaat der Corporation, also den USA, das ausschließliche Recht zur Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangen Beteiligung zu.

Auslegung nach dem Gesetzeszweck

Diese Wortauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG und des UmwStG insgesamt, betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen zu erleichtern und einen Steueraufschub zu gewähren, sofern damit kein endgültiger Besteuerungsverzicht verbunden ist. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb gerade im Fall einer Abwärtsverschmelzung das Privileg des Buchwertansatzes ohne Absicherung des inländischen Besteuerungszugriffs auf die stillen Reserven gewährt werden sollte. Für diese Auffassung spricht auch die systematische Auslegung. § 11 Abs. 2 Satz 2 UmwStG stellt keine abschließende Spezialregelung dar. Auch das Diskriminierungsverbot des DBA-USA, die Fusionsrichtlinie und das Unionsrecht stehen dem nicht entgegen. Der BFH hob daher das stattgebende FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

Hinweis: Sicherung des Besteuerungsrechts

Die "Beteiligung an der Tochtergesellschaft" gehört zu den übergehenden Wirtschaftsgütern i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG. Die Abwärtsverschmelzung kann daher im Grundsatz auf Antrag ohne Aufdeckung der stillen Reserven vollzogen werden. Allerdings müssen die weiteren Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gegeben sein. Der Ansatz zum Buchwert ist nur möglich, wenn es nicht zu einer Steuerentstrickung der Anteile kommt.

BFH, Urteil v. 30.5.2018, I R 31/16; veröffentlicht am 21.11.2018.