Rz. 50

Probleme ergeben sich insbesondere bei sog. Oder-Konten. Das sind Konten, über die mehrere Personen die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis besitzen. Diese werden häufig zwischen Ehegatten, aber auch zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vereinbart. Der Hauptunterschied zu einer reinen Kontovollmacht besteht darin, dass diese jederzeit durch den Kontoinhaber widerrufbar ist, während dies beim Oder-Konto nicht möglich ist, da beide Personen Kontoinhaber sind.

 

Rz. 51

Zivilrechtlich handelt es sich beim Oder-Konto um eine Form der Gesamtgläubigerschaft (s. § 428 BGB). Die Frage, wem die Gelder im Innenverhältnis zustehen, kann durch die Parteien frei geregelt werden. § 430 BGB enthält allerdings eine Vermutungswirkung, dass die Gelder den Berechtigten im Zweifel nach Köpfen zustehen. Dies ist allerdings nur eine Zweifelsregelung. Eine abweichende Regelung kann nicht nur durch schriftliche Vereinbarung geschehen, sondern auch aus dem Zweck des jeweiligen Rechtsverhältnisses, der Natur der Sache oder den sonstigen Umständen folgen (s. Noack in Staudinger, § 430 Rn. 23). Die Tatsache, dass die Mittel allein oder weit überwiegend aus dem Vermögen eines Ehegatten stammen, reicht für die Annahme, dass sie diesem im Innenverhältnis auch allein zustehen sollen, nicht aus (s. BGH vom 29.11.1989, NJW 1990, 705). Dies müsste beweisbar nachgewiesen werden. Die Rechtsfrage wird dadurch kompliziert, dass die zivilrechtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass während einer intakten Ehe in der Regel Ausgleichsansprüche ohnehin ausgeschlossen sein sollen. Die tatsächliche Handhabung des Kontos während der Ehe ist damit – wenn überhaupt – allenfalls bedingt geeignet, um Aufschluss über die Frage zu geben, wem die Gelder beim Ende der Ehe zustehen sollen. Die Darlegungs- und Beweislast gegen eine hälftige Aufteilung trifft denjenigen, der sich auf eine andere Verteilung beruft (vgl. Geck in K/E, § 10 Rn. 34.1).

 

Rz. 52

Die finanzgerichtliche Rspr. zur Frage, wem die Guthaben auf Oder-Konten zuzurechnen sind, ist uneinheitlich. Während das FG Hessen in einem Urteil vom 25.04.1991 die Ansicht vertrat, dass es darauf ankomme, aus wessen Vermögensbereich die Zuflüsse stammten (s. EFG 1992, 142), gehen das FG Düsseldorf (s. Urteil vom 19.07.1995, EFG 1996, 242, 243) und das FG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 07.07.1994, EFG 1995, 125, 126) davon aus, dass die Herkunft der Mittel unerheblich sei und beziehen sich dabei jeweils auf das Urteil des BGH vom 29.11.1989. Die Bezugnahme auf den BGH ("die Herkunft der Mittel spiele keine Rolle"), trifft nur mit Einschränkungen zu. Die Besonderheit in dem vom BGH entschiedenen Fall bestand darin, dass es um Ehegatten ging, die in Gütertrennung lebten und bei denen ein Ehegatte weitgehend unentgeltlich im Unternehmen des anderen Ehegatten mitgearbeitet hatte. Hier lag es nahe, dass die Beteiligung an dem Oder-Konto eine angemessene finanzielle Partizipation des mitarbeitenden Ehegatten abbilden sollte. Der BGH führte explizit aus, dass es für die Frage, ob von der Regelung des § 430 BGB abgewichen worden war, auf die Art und den Umfang der beiderseits erbrachten Leistungen und auf die Höhe der dadurch bedingten und noch vorhandenen Vermögensmehrung ankomme (BGH vom 29.11.1989 NJW 1990, 705).

Für den Steuerpflichtigen verbleibt jedoch das Problem, dass er die Beweislast trägt, wenn er vorträgt, dass eine von § 430 BGB abweichende Regelung getroffen wurde (s. Götz/Jorde, DStR 2002; so auch BFH vom 15.01.2003, DB 2003, 644).

 

Rz. 53

Für die Erbschaftsteuer bedeutet das nicht nur, dass bei Einzahlungen auf ein Oder-Konto steuerpflichtige Schenkungen unter Lebenden vorliegen können (vgl. dazu FG Düsseldorf Urteil vom 27.07.2005, 4 K 2596/03 Erb) sondern auch, dass beim Tod eines Ehegatten die Erben im Zweifel die Hälfte des Kontostandes von Oder-Konten versteuern müssen. Dies kann sogar dazu führen, dass der Ehegatte, aus dessen Vermögen das Geld aus dem Oder-Konto stammt, dieses beim Tod des anderen Ehegatten der Erbschaftsteuer unterwerfen muss. Dieses Ergebnis mag man als unbefriedigend empfinden (s. Niehues/Kränke, DB 1996, 1159), es folgt jedoch konsequent der zivilrechtlichen Zuordnung der Gelder (so auch Werkmüller, ZEV 2000, 441). Wer hierin einen Verstoß gegen das Bereicherungsprinzip sieht (s. Geck in K/E, § 10 Rn. 35), verkennt, dass der überlebende Ehegatte tatsächlich bereichert ist, denn zwischenzeitlich stand das Geld ja dem anderen Ehegatten zu. Schon aus der speziellen Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ergibt sich, dass die Tatsache, dass der Gegenstand dem Erben zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal gehört hat, für sich eine Bereicherung nicht ausschließt.

Mit Urteil vom 23.11.2011 hat der BFH (BStBl II 2012, 473) entschieden, dass die Finanzverwaltung nicht bei jedem Oder-Konto zwangläufig von einer Schenkung zwischen den Ehegatten ausgehen darf. Wird die Zahlung eines Ehegatten auf ein sog. Oder-Konto der Eheleute als freigebige Zuw...

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