Rz. 60

Der bedingte Erwerb ist ein Rechtsgeschäft unter der Bestimmung, welche die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhängig macht (vgl. § 158 BGB). Für aufschiebend bedingte Erwerbsgegenstände und Erwerbe gilt im Einzelnen Folgendes:

  • Gewinnansprüche aus GmbH-Anteilen und Dividendenansprüche aus Aktien fallen nicht unter § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Anders als der Tantiemeanspruch folgt der Gewinnanspruch unmittelbar aus dem GmbH-Anteil, der seinerseits zu erfassen ist (s. Gottschalk in T/G/J/G, § 3 Rn. 154; a. A. FG Hamburg vom 23.11.1990, EFG 1991, 544; Geck in K/E, § 12 Rn. 28).
  • Steuererstattungsansprüche sind von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG erfasst. Diese werden erst mit der entsprechenden Abrechnung im Steuerbescheid fällig und erst mit diesem Zeitpunkt entsteht auch die Erbschaftsteuer auf diese (s. BFH vom 16.01.2008, ZEV 2008, 206).
  • Wird ein Nießbrauchsrecht vom Erblasser mehreren Berechtigten zu gleichen Teilen eingeräumt und ist vereinbart, dass beim Tod eines Nießbrauchsberechtigten sein Anteil den übrigen Berechtigten zufallen soll, so handelt es sich nach Auffassung der Rechtsprechung um einen aufschiebend bedingten Erwerb des Nießbrauchsrechts und nicht um ein Nachvermächtnis i. S. v. § 6 Abs. 4 ErbStG (s. RFH vom 13.02.1941, RStBl 41, 438).
  • Bei Kapitallebensversicherungen, die noch nicht mit dem Tod des Erblassers fällig werden, weil der Erblasser nicht die versicherte Person ist, war bis zum ErbStG a. F. 2009 umstritten, ob diese sofort mit dem 2/3-Wert gem. § 12 Abs. 4 BewG (dieser günstigere Ansatz mit 2/3 der eingezahlten Prämie ist durch das ErbStRG vom 24.12.2008, BGBl I 2008, 3018 vom Gesetzgeber abgeschafft worden) zu versteuern sind, oder ob es sich um einen aufschiebend bedingten Erwerb handelt, der erst zum Zeitpunkt der Fälligkeit (Zeitablauf oder Tod der versicherten Person), dann jedoch mit dem Nennwert zu versteuern ist. Ein Teil der Literatur argumentierte damit, dass dem Versicherungsanspruch schon zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein Vermögenswert zukomme, der sich z. B. durch Kündigung oder Beleihung realisieren lasse. Auch die Existenz von § 12 Abs. 4 ErbStG zeige, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass es zur Situation einer Übertragung von noch nicht fälligen Ansprüchen aus Lebensversicherungen kommen könne, die bereits versteuert werden müssen (s. Fromm, DStR 2005, 1966 m. w. N.). Auch das FG Hessen gingt davon aus, dass beim Übergang einer auf das Leben eines Dritten abgeschlossenen Lebensversicherung die Steuer bereits mit dem Tod des Erblassers entstehe, begründete dies jedoch damit, dass es sich um eine betagte Forderung handele, bei der der Zeitpunkt der Fälligkeit feststehe, jedenfalls insoweit, als klar sei, wann die Versicherung spätestens fällig werde (nämlich zu dem im Vertrag bestimmten Zeitpunkt), und dass damit nach der Rechtsprechung des BFH die Steuer sofort entstehe (Urteil vom 07.03.2007, EFG 2007, 1791). Diese Ansicht überzeugt nicht. Denn bei einer Kapitallebensversicherung ist keinesfalls klar, dass der Anspruch mit Ablauf der Laufzeit fällig wird. Es gibt zwei Alternativen: Entweder die versicherte Person verstirbt vor Ablauf der Laufzeit, dann wird die Lebensversicherung mit deren Tod fällig, oder die versicherte Person lebt zum Ablauf der Laufzeit noch, dann wird sie zu diesem Zeitpunkt fällig. Fiedler hat die Ansicht vertreten, in Wahrheit handele es sich um zwei unterschiedliche Verträge, die miteinander kombiniert seien, da auch die Versicherungssumme unterschiedlich hoch ausfalle (s. Fiedler, DStR 2005, 1465). Ob es sich um einen oder zwei Verträge handelt, ist jedoch für die Frage der Besteuerung unerheblich. Selbst wenn man von zwei Verträgen ausgehen würde, stünde der Anspruch auf den Erlebensfall unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Person zum Ablauf der Laufzeit noch lebt. Der Anspruch auf den Todesfall wäre ebenfalls aufschiebend bedingt, nämlich darauf, dass die Laufzeit zum Zeitpunkt des Todes noch nicht abgelaufen ist. Geht man hingegen von einem einheitlichen Anspruch aus, so ist dieser auf einen unbestimmten Zeitpunkt betagt, da eben noch nicht feststeht, ob die versicherte Person zum Ablaufzeitpunkt noch lebt oder nicht. Dass dies bei einer noch jungen Person sehr wahrscheinlich sein kann, reicht nicht aus. Auch die Argumentation, die Ansprüche seien bereits bewertbar und § 12 Abs. 4 BewG sei genau für diesen Fall geschaffen, überzeugt nicht, denn die Frage der Bewertung stellt sich erst dann, wenn die Frage der Steuerentstehung geklärt ist. Allerdings folgt diese Argumentation der Linie, die der BFH zu betagten Ansprüchen vertritt. Es bleibt daher abzuwarten, ob der BFH auch für aufschiebend bedingte Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen eine Ausnahme gestützt auf § 12 Abs. 4 BewG machen wird. In einem Fall, in dem der Erblasser versicherte Person war, die Lebensversicherung jedoch nicht sofort fällig wurde, da zunächst die Umstände von dessen Tod aufgeklärt werden m...

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