Rz. 10

Nach Auffassung der FinVerw (R B 198 Abs. 3 ErbStR) ist als Nachweis regelmäßig ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich. Das Gutachten ist für die Feststellung des Grundstückswerts nicht bindend, sondern unterliegt der Beweiswürdigung durch das FA. Diese setzt voraus, dass dem Gutachten ohne weitere Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen gefolgt werden kann, insb. ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens rechnet sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.Enthält das Gutachten Mängel (z. B. methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze), ist es zurückzuweisen; ein Gegengutachten durch das FA ist nicht erforderlich.

Auszüge aus der Kaufpreissammlung können ein Gutachten nicht ersetzen.

 

Rz. 11

Im Hinblick auf den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten entschied der BFH mit Urteil vom 05.12.2019 (BStBl II 2021, 135; vgl. dazu auch Eisele, NWB 2021, 686) über folgenden Sachverhalt: Die Beteiligten stritten um die Frage, ob den Klägern in Bezug auf die Bewertung eines Grundstücks der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG gelungen ist. Als Sachverständigen zur Bewertung hatten die Kläger einen Architekten herangezogen, der über ein unbefristetes Zertifikat als "Sachverständiger für Wertermittlung und Baukostenplanung" verfügt. Hierzu führte der BFH aus:

  • § 198 BewG eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, als er sich aus den typisierenden Bewertungsvorschriften des BewG ergäbe. Die Nachweislast geht über die Darlegungs- und Feststellungslast hinaus.
  • Soll der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch Vorlage eines Gutachtens erbracht werden, muss das Gutachten entweder durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt sein (Anknüpfung an das Senatsurteil vom 11.09.2013, BStBl II 2014, 363; gegen die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.02.2014, BStBl I 2014, 808). Die FinVerw hatte in dem vorgenannten Erlass klargestellt, dass sie in Bezug auf das Urteil des BFH vom 11.09.2013 entgegen der dort vertretenen Meinung, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 146 Abs. 7 BewG a. F. (§ 198 BewG n. F.) nur durch ein Gutachten erbracht werden kann, das der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat, an ihrer Auffassung festhält, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbringen kann (s. dazu auch R B 198 Abs. 3 Satz 1 ErbStR). Dies galt nach ihrem Dafürhalten nicht zuletzt schon aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen, insb. für inhaltlich mängelfreie Gutachten eines nach der DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken.
  • Nur das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i. S. d. §§ 36, 36a GewO bietet eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass weitere Beweiserhebungen entbehrlich sind. Diese verfügen über eine Doppelqualifikation, nämlich in fachlicher und persönlicher Hinsicht.
  • Ob das Gutachten den Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FA und des FG. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne weitere Beweiserhebung, insb. ohne Einschaltung weiterer Sachverständiger, gefolgt werden kann.
  • Die FinVerw reagierte darauf mit einem Nichtanwendungserlass (gleichlautende Ländererlasse vom 02.12.2020, BStBl I 2021, 146). Sie hielt weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken verfügt, erbringen kann (siehe u. a. R B 198 Abs. 3 Satz 1 ErbStR). Dies sind Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind.
  • Das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz (GrStRefUG) vom 16.07.2021 (BGBl I 2021, 2931) hat § 198 BewG neu strukturiert. Der bisherige Inhalt wurde in § 198 Abs. 1 BewG überführt. Durch den neuen § 198 Abs. 2 BewG hat der Gesetzgeber die bisherige Auffassung der FinVerw, welche Art von Gutachten als Nachweis dienen können, gesetzlich verankert und der einengenden BFH-Ansicht eine Absage erteilt. Somit besteht nunmehr auch für Beratungspraxis und Gerichtsbark...

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