Rz. 32

Für aufschiebend bedingte, befristete und betagte Erwerbe sowie Erwerbsansprüche enthält § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG eine vom Todeszeitpunkt abweichende Bestimmung des Steuerentstehungszeitpunkts (vgl. Schmid, ZEV 2015, 387 (388)). Eine wichtige Funktion von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist es, die Steuerentstehung mit dem Zeitpunkt der Bewertung zu harmonisieren. Nach §§ 4 und 8 BewG wird der aufschiebend bedingte oder befristete Erwerb erst zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts erfasst. Ohne § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst a ErbStG wäre der Erwerb zwar auch erst zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu versteuern, da vorher eine Bewertung nicht möglich ist, müsste dann aber auf die Verhältnisse und die Rechtslage (insbesondere Freibeträge und Steuersätze) zum Zeitpunkt des Todes zurückbezogen werden (s. Hannes/ Holtz in M/H/H, § 9 Rn. 16).

2.2.1 Der Begriff der Bedingung, Befristung und Betagung

 

Rz. 33

Eine Bedingung ist eine Bestimmung, welche die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem künftigen Ereignis abhängig macht, dessen Eintritt noch ungewiss ist. Nicht nur die Bestimmung, auch das Ereignis selbst werden als Bedingung bezeichnet (s. Ellenberger in Grüneberg, Einf. vor § 158 Rn. 1). Man unterscheidet zwischen aufschiebenden Bedingungen, bei denen der Eintritt ungewiss ist, und auflösenden Bedingungen, bei denen der Fortbestand der Rechtswirkungen von einem ungewissen Ereignis abhängt. Häufig sind diese beiden miteinander verknüpft, je nachdem welchen Erwerber man betrachtet.

 
Praxis-Beispiel

Die sog. Wiederverheiratungsklausel, nach der die Ehefrau, die zunächst Erbin geworden ist, die Erbschaft bei einer erneuten Heirat an einen Dritten herausgeben muss, stellt für die Ehefrau eine auflösende Bedingung des Erbschaftserwerbs und für den Dritten eine aufschiebende Bedingung des Erbschaftserwerbs dar.

 

Rz. 34

Eine Befristung liegt vor, wenn die Rechtswirkungen eines Geschäfts mit einem zukünftigen, aber gewissen Ereignis beginnen oder enden sollen (Ellenberger in Grüneberg, Einf. vor § 158 Rn. 2). Der Zeitpunkt des Ereignisses kann bestimmt sein (z. B.: bestimmter Kalendertag) oder unbestimmt sein (z. B.: Tod eines Menschen).

 

Rz. 35

Im Unterschied zur Bedingung und Befristung hängt bei einer Betagung nicht die Entstehung, sondern nur die Fälligkeit der Forderung von einem Ereignis oder einer Frist ab. Ob eine Bedingung oder eine Betagung vorliegt, hängt vom Willen der Parteien ab.

 

Rz. 36–39

vorläufig frei

2.2.2 Der Anwendungsbereich von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG

 

Rz. 40

§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ist nur auf aufschiebende Bedingungen anwendbar. Eine Bedingung i. S. d. §§ 158 ff. BGB ist die durch Parteiwillen in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, die die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig macht. Dies Ereignis wird auch Bedingung genannt. Bei der aufschiebenden Bedingung hängt der Eintritt, bei der auflösenden Bedingung das Fortbestehen der Rechtswirkungen von dem zukünftigen Ereignis ab (Ellenberger in Grüneberg, Einf. vor § 158 Rn. 1). Auch wenn das als Bedingung gestellte Ereignis von der freien Willensbestimmung eines Beteiligten abhängt, gilt dieses Ereignis als aufschiebend bedingter Erwerb. Das bedeutet, dass auch Potestativbedingungen und Optionsrechte entsprechend behandelt werden. Anders sieht es bei im Erbfall noch nicht erteilten Genehmigungen aus, denn hier ist die nach Genehmigungserteilung erforderliche zivilrechtliche Rückwirkung auch erbschaftsteuerrechtlich nachzuvollziehen (vgl. Fischer in F/P/W, § 9 Rn 31).

Unter einer auflösenden Bedingung entsteht die Steuer sofort und zwar gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 5 Abs. 1 BewG ohne Berücksichtigung der Bedingung. Erst bei Eintritt der Bedingung ist dann eine Korrektur gem. § 5 Abs. 2 BewG möglich.

 
Praxis-Beispiel

Erblasser E hat seine Kinder als Erben eingesetzt und seiner Ehefrau F das gemeinsam bewohnte Haus vermacht. Im Falle einer Wiederheirat hat die F das Haus an die Erben herauszugeben.

Lösung:

Für F stellt die Klausel eine auflösende Bedingung dar. Sie muss daher das Vermächtnis der Erbschaftsteuer unterwerfen, ohne dass die Wiederverheiratungsklausel dabei berücksichtigt wird (s. § 5 Abs. 1 BewG). Mit dem Eintritt der Bedingung, also der erneuten Heirat der F kann diese den Antrag stellen, dass ihre Erbschafsteuer nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen ist (s. § 5 Abs. 2 BewG). Nach h. M. ist dies der Wert der verbrauchten Substanz zuzüglich des Kapitalwerts der Erträge, der nach § 13 ErbStG auf den Zeitraum der tatsächlichen Nutzung zu berechnen ist (s. Götz in S/L, BewG, § 5 Rn. 6).

 

Rz. 41

Der Anwendungsbereich wird außerdem dadurch begrenzt, dass eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung wie eine Anordnung von Vor- und Nacherbschaft zu behandeln ist. Ist in so einem Falle kein Vorerbe benannt, so werden die gesetzlichen Erben Vorerben. Für die Vor- und Nacherbschaft enthält § 6 ErbStG eine spezielle Regelung, die die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG ausschließt (s. Geck in FS Korn, 557, 560).

 
Praxis-Beispiel

Erblasser E hat seine Ehefrau F als Alleine...

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