Rz. 2

Nach § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG werden Grundbesitzwerte für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum jeweiligen Bewertungsstichtag festgestellt.

Für die Wertermittlung ist nach § 11 ErbStG regelmäßig der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gem. § 9 ErbStG maßgebend. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben v.T.w. grds. mit dem Tod des EL, bei Schenkungen unter Lebenden gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit zivilrechtlich wirksamer Ausführung der Schenkung. Bewertungsstichtag ist demnach z. B. der Todestag des EL oder der Tag der Schenkung. Davon abweichend enthält § 9 ErbStG weitere Regelungen, die spezielle Zeitpunkte und damit andere Bewertungsstichtage bestimmen. Dies kann sich im Einzelfall erheblich auf die Bewertung und die Besteuerung auswirken.

 
Praxis-Beispiel

E erbt von seinem Vater V Aktien verbunden mit einer Übertragungsauflage. Der Aktienwert beträgt am Todestag 1.000 EUR. Am Tag der Vollziehung der Übertragungsauflage sind die Aktien nur noch 200 EUR wert.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerb v.T.w. in Fällen einer Übertragungsauflage erst mit dem Zeitpunkt der Vollziehung der Auflage. Der Wert der Aktien ist für Zwecke der Erbschaftsteuer also mit 200 EUR anzusetzen.

Die Bestimmung des Entstehungszeitpunkts der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Ermittlung des Bewertungsstichtags erfolgt durch das zuständige Erbschaftsteuer-FA. Dieses gibt dem zuständigen Feststellungs-FA den Bewertungsstichtag vor. Dies gilt entsprechend bei Bewertungen für grunderwerbsteuerliche Zwecke.

Wird der Grundbesitzwertbescheid auf einen unzutreffenden Stichtag erlassen, läuft er mangels Rechtsgrundlage ins Leere (BFH vom 26.10.2005, BFH/NV 2006, 552).

 

Rz. 3

Für die Wertermittlung des Grundbesitzes sind mithin die tatsächlichen Verhältnisse und die Wertverhältnisse am Bewertungsstichtag maßgebend. Der Begriff Grundbesitz wird in § 157 BewG allerdings nicht näher definiert. M. E. kann jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Grundbesitz i. S. d. § 19 BewG handelt (s. a. § 12 Abs. 3 ErbStG, der auf die gesonderte Feststellung für Grundbesitzwerte verweist).

Unter tatsächlichen Verhältnissen sind alle gegenständlichen und rechtlichen Umständen am Bewertungsstichtag zu verstehen. Werden tatsächliche Verhältnisse erst später bekannt, können sie ggf. rückwirkend, bspw. i. R. d. Änderung nach § 173 AO berücksichtigt werden. Dies gilt nicht für erst später eingetretene Änderungen. Daneben entsprechen die Wertverhältnisse den wirtschaftlichen Verhältnissen, welche sich auch im allgemeinen Markt- und Preisniveau niederschlagen.

Da in § 157 BewG nicht mehr Bezug auf die Abrundungsvorschrift des § 139 BewG genommen wird, sind die Grundbesitzwerte grds. auf den Cent genau festzustellen. Nach Auffassung der FinVerw sind bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes Eurobeträge mit Nachkommastellen jedoch jeweils in der für den Steuerpflichtigen günstigsten Weise auf volle Eurobeträge auf- oder abzurunden (H B 177 ErbStH).

 

Rz. 4

§ 157 Abs. 1 Satz 2 BewG ordnet die entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 2 und 3 BewG i. R. d. Grundbesitzwertfeststellung an. Demnach können die FinBeh zur Vorbereitung und Durchführung von Grundbesitzwertfeststellungen örtliche Erhebungen über die Bewertungsgrundlagen anstellen. Dies umfasst nicht nur die zu bewertende wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes, sondern kann auch weitere Grundstücke betreffen. Durch die Einbeziehung von Vergleichsgrundstücken soll überprüft werden, inwieweit sich der Grundbesitzwert auf der Bewertungsebene noch innerhalb der Bandbreite vertretbarer Verkehrswerte bewegt.

Durch § 157 Abs. 1 Satz 2 BewG i. V. m. § 29 Abs. 3 BewG sind zudem die zuständigen Bundes- und Landesbehörden dazu verpflichtet, den FinBeh die ihnen bekannt gewordenen rechtlichen und tatsächlichen Umstände mitzuteilen, die für die Feststellung von Grundbesitzwerten sowie die Erbschaft- oder Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein können.

 
Praxis-Beispiel

Aus den Bauakten der Bauaufsichtsbehörde sind die für die Feststellung eines Grundbesitzwerts relevanten Daten ersichtlich. Die Bauaufsichtsbehörde hat diese Daten der zuständigen FinBeh mitzuteilen.

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