Rz. 781

Die Systematik des § 7 Abs. 8 ErbStG und sein Anwendungsbereich sollen an den nachfolgenden Beispielsfällen deutlich gemacht werden.

 

Beispiel 1:

Mutter M und Tochter T sind zu je 50 % an der MT-GmbH beteiligt. M tätigt eine disquotale Einlage i. H. v. 200.000 EUR.

Lösung:

Die disquotale Einlage der M von 200.000 EUR erhöht den Wert des Geschäftsanteils der T um 100.000 EUR (200.000 EUR × 50 %). Es liegt eine freigebige Zuwendung gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bezüglich der Werterhöhung des Geschäftsanteils der T von M an T i. H. v. 100.000 EUR vor. Es kommt die Stkl. I zur Anwendung (§ 15 Abs. 4 ErbStG).

 

Beispiel 2:

An der MT-GmbH sind Mutter M und Tochter T zu je 50 % beteiligt. Aufgrund von Liquiditätsschwierigkeiten der MT-GmbH (kein Sanierungsfall) legt M 200.000 EUR in das Gesellschaftsvermögen ein.

Lösung:

Auch hier liegt eine freigebige Zuwendung der M an T i. H. v. 100.000 EUR (200.000 EUR × 50 %) vor (Stkl. I). Dass die Einlage subjektiv die Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft beseitigen und nicht die T einseitig begünstigen soll, ist unerheblich, da es nach Verwaltungsauffassung auf den subjektiven Bereicherungswillen der M nicht ankommt.

 

Beispiel 3:

Mutter M und die E-GmbH sind jeweils zu 50 % an der MT-GmbH beteiligt. Tochter T ist zu 40 % und M zu 60 % an der E-GmbH beteiligt. M tätigt eine disquotale Einlage von 100.000 EUR in die MT-GmbH.

Lösung:

Durch die disquotale Einlage der M erhöht sich die Beteiligung der E-GmbH an der MT-GmbH um 50.000 EUR. Der anteilige mittelbare Wertzuwachs bei der T beträgt 20.000 EUR (100.000 EUR × 50 % × 40 %). Dieser stellt eine nach § 7 Abs. 8. Satz 1 ErbStG steuerpflichtige freigebige Zuwendung der M an die T dar (Stkl. I).

 

Beispiel 4:

Die Schwestern S und T sind jeweils zu 50 % an der ST-GmbH beteiligt. Der Vater V gibt der ST-GmbH als Anschubfinanzierung ein Darlehen über 100.000 EUR. Als die ST-GmbH in die Krise gerät (Sanierungsfall) verzichtet V auf das Darlehen.

Lösung:

Der Darlehensverzicht des V stellt eine freigebige Zuwendung an die ST-GmbH gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Gleichzeitig erhöht sich durch den Darlehensverzicht (= Leistung i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG) der Wert der Geschäftsanteile der ST-GmbH um jeweils 50.000 EUR, so dass ebenfalls § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG einschlägig ist. Die bestehende Anspruchskonkurrenz wird zugunsten der Spezialregelung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gelöst. Die Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die ST-GmbH tritt zurück. Ein anteiliger Forderungsverkauf des V an S und T nebst anschließendem (quotalen) Verzicht der Gesellschafter auf die Forderung scheidet wohl aus, da V kein Gesellschafter ist (vgl. Rn. 764).

 

Beispiel 5:

Die M-AG ist zu 100 % Gesellschafterin der T1-GmbH und der T2-GmbH. Die M-AG veranlasst die T1-GmbH, der T2-GmbH ein Grundstück zu einem Preis deutlich unter dem Verkehrswert zu verkaufen.

Lösung:

Ertragsteuerlich stellt der Vorgang eine verdeckte Gewinnausschüttung der T1-GmbH an die M-AG sowie eine verdeckte Einlage der M-AG in die T2-GmbH dar und zieht die entsprechenden Besteuerungskonsequenzen nach sich. Schenkungsteuerlich ist der Vorgang irrelevant, da es sich bei T1 und T2 um (gesellschafteridentische) Schwestergesellschaften handelt.

 

Beispiel 6:

Vater V ist zu 100 % Gesellschafter der T1-GmbH und zu 40 % Gesellschafter der T2-GmbH. Die weiteren 60 % der T2-GmbH hält sein Sohn S.

V veranlasst die T1-GmbH, der T2-GmbH verbilligt ein Grundstück zu verkaufen.

Lösung:

Ertragsteuerlich stellt der Vorgang eine verdeckte Gewinnausschüttung der T1-GmbH an V sowie eine verdeckte Einlage des V in die T2-GmbH dar.

Schenkungsteuerlich liegt gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 i. V. m. Satz 2 ErbStG eine Zuwendung zwischen T1-GmbH und S vor. Zuwendungsgegenstand ist die durch die Vermögensverschiebung im Umfang von 60 % des Vermögensvorteils bewirkte Werterhöhung der Anteile des S. Da V und S nahestehende Personen i. S. d. § 15 AO sind, wird die Bereicherungsabsicht nach Verwaltungsauffassung (widerleglich) vermutet. Für die Berechnung der Steuer ist der Vorgang so zu behandeln, als sei V der Schenker (§ 15 Abs. 4 ErbStG).

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