Rz. 714

Erforderlich ist zunächst, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Erfasst wird sowohl ein freiwilliges als auch ein zwangsweises Ausscheiden (HE 7.10 Satz 2 ErbStH; ebenso Weinmann in M/W, § 7 Rn. 249; Griesel in D/H/R, § 7 Rn. 194; Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 252). Ein Ausscheiden eines Gesellschafters ist nach allgemeiner Ansicht (Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 158; Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 244) gegeben, wenn dieser die Gesellschaft verlässt und die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Damit wird der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 ErbStG abgegrenzt von Fällen der Liquidation sowie der rechtsgeschäftlichen Anteils­übertragung auf dritte Personen (Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 244 a. E.; FG Düsseldorf vom 14.04.2017, ZEV 2017, 466 Rev. BFH II R 34/17). § 7 Abs. 7 ErbStG hat daher vornehmlich Fälle der Anwachsung i. S. d. § 738 BGB im Auge (so auch BFH vom 01.07.1992, BStBl II 1992, 925; zur zivilrechtlichen Anwachsung s. Demuth, BB 2007, 1569).

 

Rz. 715

Nach Ansicht der Finanzverwaltung (FinMin Saarland vom 27.01.1987, DStR 1987, 205) soll die Vorschrift auch Anwendung finden, wenn der Gesellschafter zwar nicht aus der Gesellschaft ausscheidet, aber seine Beteiligung zugunsten der anderen Gesellschafter oder der Gesellschaft gegen Zahlung einer Minderabfindung vermindert. Die Finanzverwaltung will damit verhindern, dass durch sukzessive Herabsetzung der Beteiligung eines Gesellschafters § 7 Abs. 7 ErbStG umgangen wird. Dies ist mit der h. M. in der Literatur (Hannes/Holtz in M/H/H, § 7 Rn. 159; Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 405; Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 254; Ostermayer/Erhart, BB 2005, 2044; a. A. Weinmann in M/W, § 7 Rn. 250) abzulehnen, da die Verwaltungsansicht mit dem Wortlaut nicht vereinbar ist.

 

Rz. 716

§ 7 Abs. 7 ErbStG greift nach seinem Wortlaut auch dann ein, wenn bereits bei Eintritt eines Gesellschafters in die Gesellschaft feststeht, dass dieser nur vorübergehend aufgenommen wird und zu einem von vornherein festgelegten Ausscheidungszeitpunkt lediglich mit dem Buchwert abgefunden wird (ebenso Ostermayer/Erhart, BB 2005, 2044; Griesel in D/H/R, § 7 Rn. 198; a. A. Geck in K/E, § 7 Rn. 199; Schuck in V/S/W, § 7 Rn. 258; Fischer in F/P/W, § 7 Rn. 542, die eine teleologische Reduktion der Norm annehmen; ausdrücklich offengelassen von BFH vom 04.03.2015, BStBl II 2015, 672 = ZEV 2015, 429 m. Anm. v. Lishaut). Derartige Konstellationen können im Rahmen von Manager- oder Mitarbeitermodellen gegeben sein, in denen zu Motivationszwecken langjährige Mitarbeiter oder die Geschäftsführer an der Gesellschaft zum Buchwert beteiligt werden mit der Maßgabe, dass der Gesellschafter bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses gegen Buchwertabfindung aus der Gesellschaft ausscheidet. Im Ergebnis scheint es angebracht, derartige Fallgestaltungen nicht unter § 7 Abs. 7 ErbStG zu fassen, ob der Gesetzestext für eine teleologische Reduktion ausreichend Anhaltspunkte bietet, scheint offen. Derartige "Hinauskündigungsklauseln" (neudeutsch Naked-in/naked-out-Regelung), die im Grundsatz gegen § 138 BGB verstoßen, da kein sachlicher Kündigungsgrund gegeben ist, und daher sittenwidrig sind, hat der BGH (vom 19.09.2005, BB 2005, 2427 und 2430) in den beschriebenen Konstellationen als ausnahmsweise zulässig beurteilt (s. auch Ostermayer/Riedel, BB 2006, 1662 sowie Werner, NWB 2009, 311, 319; a.A. OLG München vom 13.05.2020, GmbHR 2020, 1182). Im Übrigen kann in solchen Fällen bei der Übertragung des Anteils an den/die Geschäftsführer/langjährigen Mitarbeiter § 7 Abs. 5 ErbStG zu beachten sein, wenn es sich bei der betroffenen Gesellschaft um eine Personengesellschaft handelt.

 

Rz. 716a

Mit Urteil vom 06.06.2020 (DB 2020, 2056; vgl. auch Loose, DB 2020, 2324) hat der BFH allerdings für Managermodelle, die mittels eines Pooltreuhänders durchgeführt werden, entschieden, dass weder ein Fall des § 7 Abs. 7 noch des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt. Es handelte sich hierbei um eine Fallkonstellation, bei der Mitarbeiter einer Wirtschaftsprüfungs-GmbH zum Nominalwert als Gesellschafter aufgenommen wurden und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze den Anteil zum Nominalwert auf einen Pooltreuhänder zu übertragen hatten, der den Anteil bei der Aufnahme eines neuen Mitarbeiter-Gesellschafters an diesen gegen Zahlung des Nominalwerts wieder übertrug. Für diese Konstellation hat der BFH entschieden, dass ein derivativer Erwerb des Pooltreuhänders vorliege und kein "Ausscheiden eines Gesellschafters" sowie keine "Abfindung", vielmehr liege eine Veräußerung des Anteils gegen Kaufpreiszahlung (Nominalwert) vor. Der BFH führt ausdrücklich aus, dass eine derartige Gestaltung keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO darstelle, insbes. dann, wenn der Geschäftsanteil zum selben Preis veräußert werden müsse, zu dem er erworben wurde, sei in der Veräußerung des Geschäftsanteils an den Treuhänder, damit dieser den Geschäftsanteil interimsweise bis zum Ei...

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