Leitsatz (amtlich)

1. Gesellschaftsrechtliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit einer GmbH das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, sind grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dasselbe gilt für neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Regelungen.

2. Eine im Rahmen eines sogenannten "Managermodells" zwischen den Gesellschaftern einer GmbH und deren Geschäftsführer getroffene Anteilsrückkaufs- und abtretungsvereinbarung, aufgrund derer der GmbH-Geschäftsführer nur für die Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit Gesellschafter der GmbH wird, kann nach den Umständen des Einzelfalls eine Ausnahme vom Grundsatz der Sittenwidrigkeit begründen.

3. Dies gilt allerdings nur, wenn es in Anbetracht des prozentualen Anteils des Geschäftsführers an der GmbH und unter Berücksichtigung deren Gesellschafterstruktur praktisch ausgeschlossen ist, dass der Geschäftsführer durch sein Stimmverhalten Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beeinflussen kann, wenn der Geschäftsführer kein über das bloße Insolvenzrisiko hinausgehendes wirtschaftliches Risiko übernimmt und wenn mit der Gesellschaftsbeteiligung eine Anreiz- und Belohnungsfunktion verbunden ist.

4. Gegenüber einem Anspruch auf Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG kann ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB nicht geltend gemacht werden.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 10 HK O 6998/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I, Az. 10 HK O 6998/18, vom 15.03.2019 dahingehend ergänzt, dass der Kläger verurteilt wird, an die Beklagte 6.250,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2019 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Hilfswiderklage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

2. Der Kläger ist seines Rechtsmittels der Hilfsanschlussberufung verlustig.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 64 %, die Beklagte 36 %.

4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Stellung des Klägers als Gesellschafter der Beklagten.

Am 24.11.2016 schlossen der Kläger und weitere 16 natürliche und juristische Personen den Gesellschaftsvertrag laut Anl. K 4, sowie die Gesellschaftervereinbarung laut Anl. K 1, die als Anlage 6 die "CEO-Zusatzbestimmungen" laut Anl. K 5 beinhaltete. Die Gesellschaftervereinbarung ergänzt gemäß ihres Abschnitts P.5 S. 1 den Gesellschaftsvertrag.

Jedenfalls bis zu den auf der Gesellschafterversammlung vom 23.04.2018 gefassten streitgegenständlichen Beschlüssen war der Kläger Gesellschafter der Beklagten, die ein Stammkapital von 25.000,00 EUR, bestehend aus 25.000 Geschäftsanteilen zu je 1,00 EUR, hat. Der Kläger hielt davon 25 %, nämlich die Geschäftsanteile mit den laufenden Nummern 16.126 bis 22.375. Neben dem darauf anteilig entfallenden Stammkapital von 6.250,00 EUR leistete der Kläger noch eine "Einlage in Rücklagen" in Höhe von 293.750,00 EUR und damit insgesamt 300.000,00 EUR (vgl. Abschnitt P.2 der Gesellschaftervereinbarung laut Anl. K 1). Diese Zahlung bildet den sogenannten "CEO-Erwerbspreis". Von der "Einlage in die Rücklage" zahlte die Beklagte nach der Feststellung, dass der Kapitalbedarf der Beklagten niedriger als erwartet war, 75.000,00 EUR an den Kläger zurück.

Die restlichen 75 % der Gesellschaftsanteile werden von insgesamt 16 natürlichen und juristischen Personen gehalten. Auch diese leisteten neben den auf sie entfallenden Anteil des Stammkapitals jeweils eine "Einlage in die Rücklagen", deren Höhe - wie beim Kläger - proportional zum Umfang des jeweiligen Gesellschaftsanteils war (vgl. Abschnitt P.2 der Gesellschaftervereinbarung laut Anl. K 1).

Abschnitt 1.2.2 der Gesellschaftervereinbarung lautet wie folgt:

"Ist die Fremd- oder Mezzaninkapitalfinanzierung nicht zu angemessenen Gesamtkonditionen zu erhalten, werden die Beteiligten die Möglichkeit der Gewährung von Gesellschafterdarlehen erörtern. Es besteht jedoch keine Finanzierungspflicht der Gesellschafter. (...)"

Abschnitt 1.3 der Gesellschaftervereinbarung lautet wie folgt:

"Ungeachtet der Regelungen der vorstehenden Ziffer 1.2 ist jeder Investor verpflichtet, der Gesellschaft...

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