Schrifttum

Loose, Der Einzelrichter im finanzgerichtlichen Verfahren, StuW 2006, 376.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift dient der Straffung des Verfahrens und der Entlastung des Senats, indem bestimmte Nebenentscheidungen im vorbereitenden Verfahren dem Vorsitzenden bzw. dem Berichterstatter (§ 79a Abs. 4 FGO) übertragen werden (§ 79a Abs. 1 FGO), es diesen Richtern ermöglicht wird, anstelle des Senats durch Gerichtsbescheid (§ 90a FGO) zu entscheiden (§ 79a Abs. 2 und Abs. 4 FGO) und ihnen bei vorliegendem Einverständnis der Beteiligten auch sonst ermöglicht wird, anstelle des Senats zu entscheiden (§ 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO). Die Möglichkeit einer Senatsentscheidung bleibt davon unberührt (BFH v. 18.08.2005, XI B 151/04, BFH/NV 2006, 82).

§ 79a FGO ist (mit Ausnahme des § 79a Abs. 2 FGO) in selbstständigen Antragsverfahren (§§ 69, 114 FGO) anwendbar; eine Beschränkung auf Urteilssachen wäre sinnwidrig. Für den Einzelrichter kraft Übertragung (§ 6 FGO) hat die Vorschrift keine Bedeutung; er ist zum Erlass der Hauptsachenentscheidung ebenso berufen wie zum Erlass von Nebenentscheidungen. Zum sog. konsentierten Einzelrichter s. Rz. 4. Im Verfahren vor dem BFH ist § 79a FGO nicht anwendbar (§ 121 Satz 2 FGO). Dies gilt aber nicht für Entschädigungsklagen (§ 155 Satz 2 FGO i. V. m. §§ 198ff. GVG), da der BFH insoweit "erstinstanzlich" tätig wird und § 155 Satz 2 FGO eine besondere Verweisung auf die Vorschriften des erstinstanzlichen Verfahrens enthält (vgl. BFH v. 05.03.2013, X K 10/12, BFH/NV 2013, 953; BFH v. 28.05.2013, X S 20-23/13, BFH/NV 2013, 1437; Brandis in Tipke/Kruse, § 155 FGO Rz. 17; Stiepel in Gosch, § 155 FGO Rz. 125).

Vorausgesetzt wird für § 79a FGO im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (ebenso wie für § 6 FGO) ein senatsinterner Geschäftsverteilungsplan (§ 4 FGO i. V. m. § 21g GVG; s. § 4 FGO Rz. 8), der im Voraus für das Geschäftsjahr festlegt, wer in welchen (abstrakt beschriebenen) Sachen Berichterstatter ist und in welchen Verfahren der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter nach § 79a FGO zuständig ist (s. § 4 FGO Rz. 8).

B. Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren (§ 79a Abs. 1 FGO)

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Voraussetzung für die Zuständigkeit des Vorsitzenden bzw. des Berichterstatters zu den in § 79a Abs. 1 FGO aufgeführten (Neben-)Entscheidungen ist, dass sie im vorbereitenden Verfahren zu treffen sind. Das vorbereitende Verfahren beginnt mit Eingang der Klage beim FG und endet mit Beginn der mündlichen Verhandlung (BFH v. 20.02.2013, X E 8/12, BFH/NV 2013, 763). Wird in der mündlichen Verhandlung keine Sachentscheidung getroffen oder die mündliche Verhandlung aufgehoben bzw. das Verfahren vertagt, befindet sich die Sache wieder im vorbereitenden Verfahren (z. B. BFH v. 04.05.1995, VII B 193/94, BFH/NV 1995, 1021; Seer in Tipke/Kruse, § 79a FGO Rz. 6; Thürmer in HHSp, § 79a FGO Rz. 53; Stalbold in Gosch, § 79a FGO Rz. 14; Fu in Schwarz/Pahlke, § 79a FGO Rz. 8). Der Senat bleibt also für die in § 79a Abs. 1 FGO genannten Entscheidungen zuständig, wenn sie in oder aufgrund mündlicher Verhandlung vor dem Senat ergehen, bzw., bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung (§§ 90 Abs. 2, 90a FGO), wenn sich der Senat in solcher Weise mit der Sache befasst hat, dass er bei normalem Fortgang durch Erlass eines Urteils oder eines Gerichtsbescheids (bei selbständigen Antragsverfahren eines Beschlusses) entschieden hätte. Im Übrigen ist in den Fällen des § 79a Abs. 1 FGO allein der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter der gesetzliche Richter i. S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein Wahlrecht, die Entscheidung stattdessen durch den Senat zu treffen, besteht nicht (BFH v. 08.01.2013, X B 101/12, BFH/NV 2013, 749; Thürmer in HHSp, § 79a FGO Rz. 35). Eine mit Erlass eines Beiladungsbeschlusses oder eines Beschlusses nach § 60a FGO erfolgte Befassung des Senats steht daher der Anwendung des § 79a Abs. 1 FGO nicht entgegen.

So entscheidet der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter bei Zurücknahme der Klage (§ 79a Abs. 1 Nr. 2 FGO) auch dann, wenn diese erst nach Terminierung der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 216 ZPO) oder gar erst nach Zustellung der Ladung erfolgte (FG BW v. 29.11.1993, 6 K 41/93, EFG 1994, 578, a. A. FG RP v. 24.05.1993, 5 K 1274/93, EFG 1993, 674; FG RP v. 03.08.1993, 5 K 1581/92, EFG 1994, 52). Bei Teilrücknahmen entscheidet der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter auch über die Abtrennung (s. § 73 FGO Rz. 3). Bei übereinstimmender Hauptsachenerledigungserklärung während sich die Sache noch im vorbereitenden Verfahren befindet, entscheidet ebenfalls der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter (§ 79a Abs. 1 Nr. 3 FGO; a. A. FG RP v. 28.07.1993, 5 K 1397/93, EFG 1994, 52), der Senat jedoch, wenn diese in der mündlichen Verhandlung abgebeben werden (a. A. FG Münster v. 08.11.1993, 6 K 5398/90 E, EFG 1994, 258: Vorsitzender bzw. Berichterstatter). Zur Entscheidung über den Streitwert (§ 79a Abs. 1 Satz 4 FGO) ist der Vorsitzende bzw. Berichterstatter nur berufen, wenn sich das finan...

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