Schrifttum

Gehm, Die Haftung bei Verletzung der Pflicht zur Kontenwahrheit gemäß § 72 AO – Risikoprofil in der Praxis, StBp 2016, 7

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 154 Abs. 1 AO darf niemand auf einen falschen oder erdichteten Namen für sich oder einen Dritten ein Konto errichten oder Buchungen vornehmen lassen, Wertsachen (Geld, Wertpapiere, Kostbarkeiten) in Verwahrung geben oder verpfänden oder sich ein Schließfach geben lassen. Wenn hiergegen verstoßen worden ist, dürfen nach § 154 Abs. 3 AO Guthaben, Wertsachen und der Inhalt eines Schließfachs nur mit Zustimmung des für die Einkommen- und Körperschaftsteuer des Verfügungsberechtigten zuständigen FA herausgegeben werden (öffentlich-rechtliche Kontensperre, BFH v. 13.12.2011, VII R 49/10, BStBl II 2012, 398). Der vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstoß gegen das Herausgabeverbot des § 154 Abs. 3 AO führt zur (Ausfall-) Haftung.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Haftender ist zunächst derjenige, der gegen das Herausgabeverbot des § 154 Abs. 3 AO verstößt, der also – auf der Seite des Kontenführers stehend – Guthaben, Wertsachen oder Schließfachinhalt ohne Zustimmung der zuständigen Finanzbehörde herausgibt bzw. deren Herausgabe anordnet oder in sonstiger Weise veranlasst. Das Verschulden dieser Person wird der kontenführenden Stelle zugerechnet, denn an diese richtet sich das Verbot des § 154 Abs. 3 AO, sodass auch diese haftet (BFH v. 17.02.1989, III R 35/85, BStBl II 1990, 263; BFH v. 13.12.2011, VII R 49/10, BStBl II 2012, 398; gl. A. Boeker in HHSp, § 72 AO Rz. 4; Loose in Tipke/Kruse, § 72 AO Rz. 2).

 

Tz. 3

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Voraussetzung der Haftung ist ein Verstoß gegen die Herausgabesperre. Unter Herausgabe des Guthabens, von Wertsachen und von Schließfachinhalten ist nicht nur die körperliche Übergabe von Sachen zu verstehen, sondern vielmehr jede aktive Mitwirkung an einer Verfügung, also z. B. bei einer Abhebung, Scheckeinlösung und Überweisung. Allein die Entgegennahme von Aufrechnungserklärungen kann mangels Zutun des Kontenführers keinen Verstoß gegen die Kontensperre bewirken.

 

Tz. 4

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Die so verstandene Herausgabehandlung muss ursächlich dafür sein, dass die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis beeinträchtigt wird (BFH v. 17.02.1989, III R 35/85, BStBl II 1990, 263). Die Beeinträchtigung dieser Verwirklichung bedeutet die Erschwerung oder Vereitelung des Zugriffs auf die für die Erfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Betracht kommenden Vermögenswerte (BFH v. 13.12.2011, VII R 49/10, BStBl II 2012, 3). Durch die Zuwiderhandlung brauchen deshalb nicht alle denkbaren Möglichkeiten der Verwirklichung der Ansprüche vereitelt worden zu sein. Für die Haftung reicht es aus, dass die Finanzbehörde durch die Zuwiderhandlung genötigt wird, die Befriedigung ihrer Ansprüche ausschließlich auf eine andere Weise zu suchen. Erfolgt die Herausgabe ohne Zustimmung der Finanzbehörde, wird die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht beeinträchtigt, wenn die Behörde mangels rückständiger Steuerschulden der Herausgabe hätte zustimmen müssen (BFH v. 17.02.1989, III R 35/85, BStBl II 1990, 263).

 

Tz. 5

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Der Verstoß gegen das Herausgabeverbot muss vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgen (zu diesen Begriffen s. § 69 AO Rz. 10 f.).

 

Tz. 6

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Der Umfang der Haftung wird durch den Wert der vorschriftswidrig herausgegebenen Vermögensteile beschränkt. Bei Herausgabe in Teilakten müssen in jedem Einzelfall die Haftungsvoraussetzungen (s. Rz. 3 f.) erfüllt sein. Wegen der Inanspruchnahme des Haftenden durch Haftungsbescheid und Leistungsgebot s. §§ 191, 219 AO.

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