Schrifttum

Frenkel, Die Zulässigkeitsvoraussetzungen bei außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach der AO 1977, DStR 1977, 557;

Geimer, Rechtsschutzgewährende Auslegung von Rechtsbehelfen, NWB 2009, 1664.

Nöcker, Neues und Bekanntes zum E-Mail-Einspruch – Analyse der Rechtslage vor und nach der Änderung des § 357 Abs. 1 S. 1 AO, AO-StB 2016, 112.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Durch den Einspruch wird das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet. Er ist eine empfangsbedürftige und bedingungsfeindliche verfahrenseinleitende Willenserklärung, die nach den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen ausgelegt werden kann (§ 133 BGB). Auch Schreiben fachkundiger Bevollmächtigter sind der Auslegung zugänglich, soweit sie nicht eindeutig formuliert sind (BFH v. 19.03.2009, V R 17/06, HFR 2009, 960, DStZ 2009, 787). Die Einspruchserklärung bewirkt, sofern sie den formellen Mindestanforderungen genügt, die Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens. Ist das Einspruchsverfahren anhängig, kann entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG gegen diesen Verwaltungsakt durch diesen Einspruchsführer kein weiterer Einspruch eingelegt werden. Die Anhängigkeit des Verfahrens tritt auch dann ein, wenn der Einspruch nicht zulässig ist (FG Bre v. 22.11.1994, 2 94 114 K 2, EFG 1995, 332).

 

Tz. 2

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Der einmal eingelegte Einspruch kann nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden. Die Rücknahme nach § 362 AO ist jedoch jederzeit möglich. Um die notwendige prozessuale Klarheit zu schaffen, kann ein Einspruch nicht unter einer Bedingung eingelegt werden, d. h. er kann nicht von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden. Ein Einspruch unter Vorbehalt der Rücknahme hingegen ist zulässig (Siegers in HHSp, § 357 AO Rz. 13).

 

Tz. 3

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Mit dem Einspruch bestimmt der Einspruchsführer den Gegenstand des Einspruchsverfahrens und begrenzt damit den Umfang der Entscheidungsbefugnis der Finanzbehörde (BFH v. 13.04.1994, I B 212/94, BStBl II 1994, 835). Im Gegensatz zum finanzgerichtlichen Verfahren ist das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren möglichst formfrei ausgestaltet. Der rechtsunkundige Steuerbürger soll, ohne an Formalien zu scheitern, die Überprüfung eines ihn betreffenden für unrichtig erachteten Verwaltungsakts erreichen können. Der BFH darf ein Einspruchsschreiben selbst auslegen, wenn die vom FG vorgenommene Auslegung rechtsfehlerhaft ist, das FG aber alle für die Auslegung maßgebenden Umstände festgestellt hat (BFH v. 19.08.2013, X R 44/11, BStBl II 2014, 234).

 

Tz. 4

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vorläufig frei

B. Form des Einspruchs

 

Tz. 5

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Der Einspruch muss schriftlich eingelegt oder zur Niederschrift erklärt werden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 AO). Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 22.07.2016 (BGBl. I. 2016, 1679) wurde Satz 3 des § 357 Abs. 1 AO gestrichen. Begründet wird diese Änderung mit der geringen Notwendigkeit, in der aktuellen Zeit auf Telegramme explizit zu verweisen (BT-Drs. 18/7457, 91).

I. Schriftlichkeit

 

Tz. 6

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Ein Rechtsbehelf ist schriftlich eingereicht, wenn sich sein Inhalt aus einem vom Rechtsbehelfsführer herrührenden Schriftstück ergibt. Telefonische Erklärungen genügen auch dann nicht, wenn ein Finanzbeamter bereit ist, den Inhalt des Gespräches in einem schriftlichen Aktenvermerk aufzuzeichnen (BFH v. 10.07.1964, III 120/61 U, BStBl III 1964, 590). Eine Fotokopie, ein Telefax (BGH v. 09.03.1982, 1 StR 817/81, HFR 1983, 128) oder eine E-Mail (§ 87a Abs. 1 und 3 AO) sind Schriftstücke i. S. des § 357 Abs. 1 AO. Ein wirksamer Einspruch kann ebenfalls durch eine E-Mail eingelegt werden (Seer in Tipke/Kruse § 357 AO Rz. 8.). Hat die Finanzbehörde die Übermittlung für elektronische Dokumente eröffnet, so bedarf es keiner qualifizierenden Signatur in der E-Mail (BFH v. 13.05.2015, III R 26/14, BStBl II 2015, 790; Seer in Tipke/Kruse § 357 AO Rz. 8).

 

Tz. 7

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Die Unterschrift ist kein wesentliches Erfordernis des schriftlichen Einspruchs (FG Sa v. 07.05.1992, 2 K 129/88, EFG 1992, 712), jedoch dürfen über den Willen und die Person des Einspruchsführers keine Zweifel verbleiben (Siegers in HHSp, § 357 AO Rz. 16). Der Unterschrift kommt allenfalls Beweischarakter zu für die Frage, ob der Berechtigte Einspruch eingelegt hat. Ist aber eine Unterschrift nicht erforderlich, bedarf es auch bei einer Übermittlung per E-Mail oder anderer elektronischer Kommunikationsmittel keiner qualifizierten elektronischen Signatur (§ 87a AO). Der Einspruch ist in deutscher Sprache einzulegen.

II. Erklärung zur Niederschrift

 

Tz. 8

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Die Erklärung zur Niederschrift wird von dem Einspruchsführer bei der Behörde abgegeben und vom aufnehmenden Finanzbeamten unterzeichnet. Wird eine mündliche Erklärung des Steuerpflichtigen ohne sein Verschulden nicht protokolliert, liegt zwar kein wirksamer Einspruch vor, es kommt jedoch Wiedereinsetzung in Betracht (BFH v. 19.10.2001, XI S 27/01, BFH/...

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