Schrifttum

Gast-De Haan, Berechnung von Hinterziehungszinsen, wistra 1988, 298;

Brandis, Zinsen bei Hinterziehung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen, DStR 1990, 510;

Resing, Auswirkungen des Vermögensteuerbeschlusses des BVerfG auf verlängerte Festsetzungsverjährungsfristen und die Festsetzung von Hinterziehungszinsen, DStR 1999, 922;

Burkhard, Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO bei Vermögensteuerhinterziehungen trotz Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer?, Stbg 2000, 122;

Krieger, Verjährung von Hinterziehungszinsen, DStR 2002, 750;

Braun, Festsetzung von Hinterziehungszinsen, DStR 2008, 145; Riegel/Amler, Festsetzung von Hinterziehungszinsen schon auf Vorauszahlungen, BB 2016, 2972;

Wollweber/Talaska, Erstes Gerichtsurteil zu Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuervorauszahlungen, Stbg 2016, 354;

Wegner, Rechtsprechungsübersicht: Nebenfolgen steuerstrafrechtlich relevanter Sachverhalte, wistra 2017, 298.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift bezweckt, beim Nutznießer einer Steuerhinterziehung dessen – steuerlich bedingten – Zinsvorteil, der durch spätere Festsetzung/Erhebung der hinterzogenen Beträge infolge steuerunehrlichen Verhaltens erlangt ist, wieder abzuschöpfen (BFH v. 18.07.1991, V R 72/87, BStBl II 1991, 781; BFH v. 27.09.1991, VI R 159/89, BStBl II 1992, 163; BFH v. 31.07.1996, XI R 82/85, BStBl II 1996, 554). Allerdings wird dieser Zweck je nach Höhe der Differenz zu einem marktüblichen Darlehenszins in unterschiedlicher Intensität erreicht. In der aktuellen Niedrigzinsphase liegt der Zinssatz von 6 v. H. zwar höher als marktübliche Darlehenszinsen, aber noch unter den Überziehungszinsen bei Kontokorrentkonten. Folgerichtig können Hinterziehungszinsen weder als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben abgezogen werden. Gleichwohl ist die Erhebung von Hinterziehungszinsen keine Strafmaßnahme.

B. Anwendungsbereich

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Zinspflicht erstreckt sich nur auf Steuern i. S. des § 3 Abs. 1 AO, nicht auf die in § 3 Abs. 4 AO genannten steuerlichen Nebenleistungen. Folglich fallen keine Zinsen auf die Verzinsung hinterzogener Steuern an. Dementsprechend sind Hinterziehungszinsen festzusetzen (s. auch AEAO zu § 235 AO, Nr. 2) für verkürzte Steuern, einschließlich Steuervorauszahlungen (FG Münster v. 20.04.2016, 7 K 2354/13 E, EFG 2016, 965) und Solidaritätszuschlag (BFH v. 03.05.2017, II B 110/16, BFH/NV 2017, 1012), ungerechtfertigt erlangte Steuervorteile, wie z. B. Steuervergütungen, zu Unrecht erlangte Steuervergünstigungen wie z. B. Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen, ungerechtfertigt erlangte Prämien und Zulagen, auf die Vorschriften der AO über Steuervergütungen entsprechende Anwendung finden, wie z. B. Investitionszulagen, Eigenheimzulagen, Wohnungsbauprämien, Arbeitnehmersparzulagen und Zulagen nach § 83 EStG. Dass auch die ungerechtfertigte Erlangung von Steuervergütungen die Zinspflicht auslöst, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, da die Vorschrift nur "Steuern" nennt. Gleichwohl handelt es sich um steuerliche Vorteile, die die Zinspflicht auslösen (BFH v. 27.04.1999, III R 21/96, BStBl II 1999, 670; Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO Rz. 7).

Die Erhebung von Hinterziehungszinsen im Bereich der gemeinschaftsrechtlich geregelten Abgaben ist mangels Strafcharakter der Zinsen wohl ausgeschlossen; allerdings findet § 235 AO auch bei der Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben Anwendung; dem stehen die Vorschriften des seit dem 01.05.2015 geltenden UZK nicht entgegen (Loose in Tipke/Kruse, § 235 AO Rz. 2; Rüsken in Klein, § 235 AO Rz. 7).

C. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Voraussetzung und Gegenstand der Verzinsung

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nur hinterzogene Steuern sind zu verzinsen (§ 235 Abs. 1 Satz 1 AO). Zum Begriff der Steuerhinterziehung s. § 370 AO. Daher ist auch bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen stets – auch durch das FG – inzidenter zu prüfen, ob hinsichtlich der der Verzinsung zu unterwerfenden Steuerbeträge eine Steuerhinterziehung vorliegt. Steuern sind erst dann hinterzogen, wenn die Steuerhinterziehung vollendet, d. h. sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist und Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen nicht vorliegen; strafrechtliche Verurteilung ist nicht erforderlich (BFH v. 24.05.2000, II R 25/99, BStBl II 2000, 378; BFH v. 27.10.2000, VIII B 77/00, BStBl II 2001, 16; BFH v. 30.01.2002, II R 52/99, BFH/NV 2002, 917; BFH v. 12.07.2016, II R 42/14, BStBl II 2016, 868). Strafausschließungs- und -aufhebungsgründe (z. B. Selbstanzeige, Verfolgungsverjährung, Amnestie, Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit nach § 153a StPO) schließen die Verzinsung nicht aus. Der Straftäter muss nicht in Person feststehen. Es reicht aus, wenn feststeht, dass eine von mehreren in Frage kommenden Personen eine Steuerhinterziehung begangen hat. Dies muss nicht der Steuerschuldner sein; seine Mitwirkung an der Steuerhinterziehung ist nicht erforderlich (BFH v. 19.03.1998, V R 54/97, BStBl II 1998, 466; v. 28.03.2012, II R 39/10, BStBl II 2012, 712). Auch Mittäte...

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