A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Steuermessbetragsverfahren stellt eine Ausnahme von dem in § 157 Abs. 2 AO aufgestellten Grundsatz der unselbstständigen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen dar. Die Regelung dient der Verfahrensvereinfachung. Steuermessbescheide sind für die Festsetzung von Realsteuern Grundlagenbescheide i. S. des § 171 Abs. 10 AO. Die Vorschrift ist bei der Feststellung der Berechnungsgrundlagen für hinterzogene Realsteuern entsprechend anzuwenden (AEAO zu § 235, Nr. 6.2).

B. Festsetzung von Steuermessbeträgen

I. Allgemeines

 

Tz. 2

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Nach § 184 Abs. 1 Satz 1 AO werden die nach den Steuergesetzen zu ermittelnden Steuermessbeträge durch Steuermessbescheid festgesetzt. Das ist nur bei den Realsteuern (§ 3 Abs. 2 AO: Grundsteuer und Gewerbesteuer) der Fall (§§ 13ff. GrStG und §§ 11 und 14 GewStG. Der Steuermessbetrag ergibt sich durch Anwendung der Steuermesszahlen auf die Besteuerungsgrundlagen. Zum Erlass eines Steuermessbescheids nach Insolvenzeröffnung s. § 179 AO Rz. 5.

 

Tz. 3

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Der festgesetzte Steuermessbetrag bildet die Grundlage für die Festsetzung der GewSt und der GrSt, deren Höhe sich im Wege der Multiplikation des Steuermessbetrags mit dem für die steuerberechtigte Gemeinde geltenden Hebesatz errechnet.

 

Tz. 4

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Die örtliche Zuständigkeit für den Erlass des Steuermessbescheids ergibt sich aus § 22 AO. Die Aufhebung eines Gewerbesteuermessbescheides kann regelmäßig nicht allein deswegen beansprucht werden, weil er von einem örtlich unzuständigen FA erlassen worden ist (BFH v. 19.11.2003, I R 88/02, BStBl II 2004, 751). Die steuerberechtigte Gemeinde wirkt weder bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen noch bei der Festsetzung der Steuermessbeträge mit, auch steht ihr eine Rechtsbehelfsbefugnis nicht zu, es sei denn die Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 FGO sind erfüllt; entsprechendes gilt – wie § 360 Abs. 2 AO erkennen lässt – auch für das Einspruchsverfahren (BFH v. 17.10.2001, I B 6/01, BStBl II 2002, 128). Durch den Steuermessbescheid werden grundsätzlich nicht die Rechte, sondern nur die Interessen der ertragsberechtigten Körperschaft berührt (BFH v. 30.01.1976, III R 60/74, BStBl II 1976, 426). Diesen Interessen wird durch die Einräumung bestimmter Informations- und Auskunftsrechte und ein beschränktes Recht der Teilnahme an Außenprüfungen (§ 21 Abs. 3 Satz 2 FVG) Rechnung getragen.

II. Steuermessbescheid

1. Persönliche und sachliche Steuerpflicht (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO)

 

Tz. 5

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Nach § 184 Abs. 1 Satz 2 AO wird zusammen mit der Festsetzung der Steuermessbeträge bindend über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden.

 

Tz. 6

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Die Entscheidung über die persönliche Steuerpflicht betrifft die Frage, wer Steuerschuldner (§ 10 GrStG, § 5 GewStG) ist, und welche persönlichen gesetzlichen Steuerbefreiungen (§ 3 GewStG) greifen. Bei einem Wechsel des Steuerschuldners während des Erhebungszeitraums ist der für den Erhebungszeitraum maßgebliche Messbetrag dem jeweiligen Steuerschuldner anteilig zuzurechnen und getrennt festzusetzen (BFH v. 17.02.1989, III R 36/85, BStBl II 1989, 664). Übernimmt dagegen der Gesellschafter einer Personengesellschaft das Unternehmen während des Erhebungszeitraums und führt es als Einzelunternehmen fort, tritt Gesamtrechtsnachfolge ein, sodass der für den Erhebungszeitraum ermittelte Messbetrag nicht zeitanteilig auf die Personengesellschaft und den Gesellschafter aufgeteilt werden muss (BFH v. 11.08.1993, III R 83/89, BFH/NV 1994, 263).

 

Tz. 7

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Die Entscheidung über die sachliche Steuerpflicht betrifft den Steuergegenstand (§ 2 GrStG, §§ 2, 35a GewStG) und die sachlichen Steuerbegünstigungen (§ 3ff. GrStG). Ggf. ist auch über die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht zu entscheiden. Die rechtliche Qualifikation von Einkünften in einem ESt-Bescheid hat keine Bindungswirkung für die Festsetzung des GewSt-Messbetrags (Kunz in Gosch, § 184 AO Rz. 8).

2. Steuergläubiger

 

Tz. 8

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Was die Feststellung des Steuergläubigers betrifft, ist die Regelung in der AO unvollständig. § 184 Abs. 1 AO sieht keine verbindliche Feststellung vor, eine solche findet im Übrigen nach § 190 AO nur auf Antrag eines Beteiligten durch einen Zuteilungsbescheid statt. Sie soll nicht Gegenstand des Steuermessbescheids sein (h. M., BFH v. 19.11.2003, I R 88/02, BStBl II 2004, 751; ebenso Boeker in HHSp, § 184 AO Rz. 35 m. w. N.; Brandis in Tipke/Kruse, § 184 AO Rz. 9 m. w. N.; Kunz in Gosch, § 184 AO Rz. 9). Als materiell-rechtliche Voraussetzung sei sie vielmehr eigenständig beim Erlass des Gewerbesteuerbescheides zu prüfen. Dies findet aber regelmäßig nicht statt. Vielmehr ist mit der Entscheidung, welcher Gemeinde nach § 184 Abs. 3 AO der Inhalt des Steuermessbescheids mitgeteilt wird, der Steuergläubiger de facto bestimmt, wobei dieser dort allerdings meist nicht oder nur verschlüsselt benannt wird. Die Gesetzeslücke kann m. E. befriedigend nur dadurch gelöst werden, dass im Steuermessbescheid auch darüber entschied...

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