A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift befasst sich mit Fehlmengen an verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die bei in den Verbrauchsteuergesetzen und ihren Durchführungsverordnungen angeordneten oder amtlich durchgeführten Bestandsaufnahmen festgestellt werden. Sie ist kein Steuerentstehungstatbestand, sondern fingiert im Wege einer widerlegbaren Vermutung die Entstehung der Verbrauchsteuer nach den entsprechenden Schuldentstehungstatbeständen des betreffenden jeweiligen Verbrauchsteuergesetzes (BFH v. 21.05.1999, VII R 25/97, BFH/NV 1999, 1568). Wenn diese Vermutung nicht widerlegt wird, wird ferner widerleglich vermutet, dass die Steuer im Zweifel im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden ist (§ 161 Satz 2 AO). Die Vorschrift gilt für bundesrechtlich geregelte Verbrauchsteuern sowie für solche landesrechtlich geregelten oder örtliche, bei denen die entsprechenden Vorschriften einen Verweis auf die AO enthalten, wegen der speziellen Regelungen im ZK bzw. UZK nicht im Bereich des Zollrechts. Da die Verbrauchsteuergesetze die Behandlung von Fehlmengen, die beim Transport im Steueraussetzungsverfahren entstanden sind, gesondert regeln, greift § 161 AO nur bei Fehlmengen in Herstellungsbetrieben und Steuerlagern. Im Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren kann § 161 AO nicht angewendet werden (Schoenfeld in Gosch, § 161 AO Rz. 7 m. w. N.).

 

Tz. 1a

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§ 161 AO berührt § 162 AO nicht. Die Entstehung der Verbrauchsteuer nach § 161 AO kann nicht geschätzt werden. Lassen Buchführung und Aufzeichnungen die Anmeldung des Soll-Bestandes nicht zu (§ 158 AO), können Zu- und Abgänge und geschätzt werden, sodass die so ermittelte Fehlmenge nach § 161 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann (Seer in Tipke/Kruse, § 161 AO Rz. 16; Wöhner in Schwarz/Pahlke, § 161 AO Rz. 37).

B. Regelung

I. Bestandsaufnahme

 

Tz. 2

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Nach den Verbrauchsteuergesetzen entsteht die Verbrauchsteuer mit der Entfernung steuerpflichtiger Waren aus dem Steuerlager oder mit ihrer Entnahme zum Verbrauch im Steuerlager, wenn sich kein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder Zollverfahren anschließt. Zur Überprüfung dieser Vorgänge ordnen Verbrauchsteuergesetze oder -verordnungen (z. B. § 4 Abs. 4 KaffeeStV, § 16 Abs. 1 SchaumwZwStV, § 11 Abs. 1 BierStV, § 14 Abs. 1 BranntwStV, § 12 TabStV, §§ 15, 19 Abs. 5, 40 Abs. 2, 56 Abs. 7, 67 Abs. 3, 75 Abs. 3 EnergieStDV) die Ermittlung des Ist-Bestandes, d. h. die körperliche Aufnahme der Bestände an verbrauchsteuerpflichtigen Waren an. § 161 AO ist keine eigenständige Regelung von Bestandsaufnahmen. Hersteller, Inhaber von Steuerlagern, Verwender von Waren und andere Personen haben jährlich zu einem Stichtag sog. vorgeschriebene Bestandsaufnahmen durchzuführen und das Ergebnis, die Ist-Bestände, zusammen mit den von ihnen berechneten Soll-Bestand der zuständigen Finanzbehörde (HZA) anzumelden (vorgeschriebene Bestandsaufnahme). Außerdem können die HZA anstelle oder zusätzlich sog. amtliche Bestandsaufnahmen durchführen. Es handelt sich dabei um eine Form der Nachschau gem. § 210 AO. Die Bestandsaufnahme umfasst nicht stets neben der Feststellung des Ist-Bestandes auch die Ermittlung des Soll-Bestandes (BFH v. 19.05.1992, VII S 12/92, BFH/NV 1993, 144 m. w. N.), wenngleich sich eine Fehlmenge nur dadurch ermitteln lässt, dass der festgestellte Ist-Bestand mit dem Soll-Bestand bezogen auf den Zeitpunkt der Feststellung des Ist-Bestands verglichen wird. Das HZA kann die Angaben zum Soll-Bestand, u. a. die tatsächlichen Zu- und Abgänge, z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung prüfen und die Ergebnisse der Prüfung der Fehlmengenberechnung zugrunde legen (BFH v. 19.05.1992, VII S 12/92, BFH/NV 1993, 144 m. w. N.).

II. Fehlmenge

 

Tz. 3

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Fehlmenge ist der Unterschied zwischen dem bei der Bestandsaufnahme ermittelten Soll-Bestand, der sich rein rechnerisch durch Abziehen des Gesamtabgangs von dem Gesamtzugang nach dem Inhalt der Anschreibungen ergibt, und dem bei der Bestandsaufnahme vorgefundenen Ist-Bestand, wenn dieser geringer ist als der Sollbestand (BFH v. 06.11.1990, VII R 31/88, BFHE 162, 191).

III. Gesetzliche Vermutung

 

Tz. 4

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Wird bei der vorgeschriebenen oder amtlich durchgeführten Bestandsaufnahme (s. Rz. 2) eine Fehlmenge festgestellt, d. h. ist der Soll-Bestand höher als der Ist-Bestand, so führt dies zu der gesetzlichen Vermutung, dass hinsichtlich der Fehlmenge eine Verbrauchsteuer entstanden ist. Die Alternative des § 160 Satz 1 2. Alt. AO, wonach die bedingte Steuer zu einer unbedingten wird, ist nicht mehr relevant (Seer in Tipke/Kruse, § 160 AO Rz. 3; s. § 50 AO Rz. 1). Dabei darf zur Ermittlung der zu versteuernden Fehlmengen der Ist-Bestand der Sollmenge gegenübergestellt werden, die sich auf den Vergleichszeitpunkt aus der Saldierung der dem Lager tatsächlich zugeführten und der dem Lager tatsächlich entnommenen Mengen ergibt. Die gesetzliche Vermutung setzt jedoch voraus, dass bei der Bestandsaufnahme keine Fehler unterlaufen...

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