A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 15 AO enthält die Definition des Begriffs "Angehöriger" für den Anwendungsbereich der AO. Der Begriff wird in zahlreichen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Vorschriften verwendet, z. B. beim Auskunftsverweigerungsrecht nach § 101 AO, und ist dort allein verbindlich. Verwendet das einzelne Steuergesetz ähnliche Begriffe wie z. B. "Familienangehöriger" in § 12 Nr. 1 EStG, ist die Begriffsbestimmung nicht einschlägig.

 

Tz. 2

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Soweit sich der Angehörigenbegriff nach § 15 AO an den familienrechtlichen Vorschriften des BGB orientiert, sind die zivilrechtlichen Voraussetzungen daher maßgeblich. Die Aufzählung in § 15 ist abschließend, eine Erweiterung insbes. unter dem Aspekt wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist unzulässig (Hummel in Gosch, § 15 AO Rz. 6; Loose in Tipke/Kruse, § 15 AO Rz. 4). Nicht in § 15 AO aufgeführte Lebensgemeinschaften, wie z. B. außereheliche Lebensgemeinschaften, können daher nicht unter den Angehörigenbegriff subsummiert werden. Mit dem Gesetz zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG – RsprAnPG v. 18.07.2014, BGBl. I 2014, 1024) wurde die steuerliche Gleichbehandlung von Lebenspartnern auch hinsichtlich der Angehörigeneigenschaft gem. § 15 AO umgesetzt, wobei ein Lebenspartner bereits nach § 11 I LPartG als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners gilt.

B. Die einzelnen Regelungen des § 15 Abs. 1 AO

I. Verlobte (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 AO)

 

Tz. 3

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Verlöbnis ist gegenseitiges Eheversprechen zweier Personen, auch i. S. des LPartG, d. h. gleichen Geschlechts. Es muss wirksam sein (AEAO zu § 15, Nr. 2). Verlobte sind nur untereinander Angehörige (BFH v. 12.07.1991, III R 44/89, BFH/NV 1992, 27).

Mit der Auflösung des Verlöbnisses ist das Angehörigenverhältnis beendet (AEAO zu § 15, Nr. 8; Rückschluss aus § 15 Abs. 2 AO).

II. Ehegatte oder Lebenspartner (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 AO)

 

Tz. 4

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Die Ehe oder Lebenspartnerschaft muss rechtswirksam zustande gekommen sein (§§ 11ff. EheG); auch gültige ausländische Eheschließungen sind anzuerkennen. Dass die Ehe oder Lebenspartnerschaft aufgelöst oder für nichtig erklärt ist, steht der Eigenschaft des (ehemaligen) Ehegatten oder Lebenspartners als Angehöriger i. S. der Steuergesetze nicht entgegen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Sog. Onkelehen sind ebenso wenig Ehen i. S. des Gesetzes (BFH v. 12.07.1963, VI 282/62 U, BStBl III 1963, 437) wie andere nichteheliche Partnerschaften bzw. Lebensgemeinschaften.

III. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 AO)

 

Tz. 5

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Verwandte in gerader Linie sind Personen, deren eine von der anderen abstammt (§ 1589 Satz 1 BGB). Geradlinig verwandt sind daher Kinder mit ihren Eltern, Großeltern und Voreltern (Gegensatz: Verwandtschaft in der Seitenlinie: Personen, die von derselben dritten Person abstammen, z. B. Nummer 4; s. § 1589 Satz 2 BGB). Gleichgültig ist, ob die Verwandtschaft auf einer ehelichen oder nichtehelichen Geburt beruht. Auch die Adoption Minderjähriger hat die Konsequenz, dass zu dem Annehmenden und dessen Verwandten unter Beendigung des Verwandtschaftsverhältnisses zu den bisherigen Verwandten ein Verwandtschaftsverhältnis begründet wird (§§ 1754, 1755 BGB); s. auch § 15 Abs. 2 AO (s. Rz. 13 f.).

 

Tz. 6

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Schwägerschaft in gerader Linie besteht zu den Verwandten in gerader Linie des Ehegatten bzw. den Ehegatten der Verwandten (§ 1590 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Linie der Schwägerschaft bestimmt sich nach der Linie der sie vermittelnden Verwandtschaft (§ 1590 Abs. 1 Satz 2 BGB). Unter die Vorschrift fallen daher als Verschwägerte in gerader Linie Schwiegereltern und Schwiegerkinder usw., Stiefeltern und Stiefkinder usw.

IV. Geschwister (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 AO)

 

Tz. 7

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Geschwister (Brüder und Schwestern) haben mindestens einen Elternteil gemeinsam (voll- oder halbbürtige Geschwister) (AEAO zu § 15, Nr. 3). Durch Annahme als Kind (§§ 1741ff. BGB) wird ebenfalls ein Geschwisterverhältnis zu den Kindern des Annehmenden begründet (§ 1754 BGB). Nicht unter die Vorschrift fallen die mit in eine Ehe gebrachten Kinder, die keinen Elternteil gemeinsam haben (AEAO zu § 15, Nr. 3). Beachte aber auch § 15 Abs. 2 AO (s. Rz. 14).

V. Kinder der Geschwister (§ 15 Abs. 1 Nr. 5 AO)

 

Tz. 8

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Kinder der Geschwister sind Nichten und Neffen, nicht jedoch Kinder der Geschwister untereinander (z. B. Vettern), (AEAO zu § 15, Nr. 4).

VI. Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner (§ 15 Abs. 1 Nr. 6 AO)

 

Tz. 9

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Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner sind die Schwäger und Schwägerinnen. Nicht unter die Vorschrift fallen die Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister des Ehegatten sowie die Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner zueinander (in der Umgangssprache oft als Schwippschwägerschaft bezeichnet). Beachte aber auch § 15 Abs. 2 AO (Rz. 13 f.).

VII. Geschwister der Eltern (§ 15 Abs. 1 Nr. 7 AO)

 

Tz. 10

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Geschwister der Eltern sind Onkel und Tanten. Nicht dazu zählen die Geschwister der Eltern des Ehegatten oder Lebenspartners sowie Vettern und Cousinen. Beachte aber auch § 15 Abs. 2 AO (Rz. 14).

VIII. Pflegeeltern und Pflegekinder (§ 15 Abs. 1 Nr. 8 AO)

 

Tz. 11

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