Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 90 Abs. 3 AO begründet besondere Aufzeichnungspflichten für Stpfl., die Geschäftsbeziehungen zum Ausland haben. Die Vorschrift ist u. E. systemwidrig dem Bereich der Mitwirkungspflichten zugeordnet, da sie detaillierte Aufzeichnungspflichten enthält und somit klar den Bereich der zur Sachaufklärung gehörenden Mitwirkungsverpflichtungen überschreitet. Die Regelung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit § 162 Abs. 3 und 4 AO, die die Folgen regeln, wenn der Stpfl. seinen sich aus Abs. 3 ergebenden Pflichten nicht nachkommt (s. § 162 AO Rz. 30 ff.). Einzelregelungen s. Rz. 8.

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AO ist Voraussetzung für die Aufzeichnungspflicht, dass es sich um Vorgänge mit Auslandsbezug handelt. Es muss sich um Geschäftsbeziehungen i. S. des § 1 Abs. 4 AStG handeln, auf den Abs. 3 Satz 1 verweist. Es geht also um Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen oder um Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Stpfl. zu seiner in einem anderen Staat belegenen Betriebsstätte. Damit hat Abs. 3 einen weiten Anwendungsbereich, so werden z. B. ausl. Mutter- und Tochtergesellschaften erfasst. Liegen derartige Geschäftsbeziehung vor, hat der Stpfl. über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen Aufzeichnungen zu erstellen. Die Erstellungspflicht bedeutet, dass der Stpfl. aktiv von sich aus tätig werden muss. Einer Aufforderung durch die Finanzbehörden bedarf es nicht. Aus der wenig konkreten Bestimmung ("Art und Umfang") lassen sich Einzelheiten zur Erfüllung der Pflicht nicht ableiten. Konkretisierungen finden sich in Abs. 2 Satz 3 ff.

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Inhalt der Aufzeichnungspflicht ist in § 90 Abs. 3 Satz 2 AO näher bestimmt. Die Aufzeichnungspflicht umfasst zum einen die Verpflichtung zur Sachverhaltsdokumentation. Darunter versteht das Gesetz die Darstellung der Geschäftsvorfälle. Damit sind nicht nur einzelne (Rechts-)Geschäfte gemeint, sondern – wie der Bezug zu Abs. 1 Satz 1 zeigt – auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Geschäftsbeziehung, also auch die Beteiligungsverhältnisse, die Organisationsstruktur und Abwicklung der geschäftlichen Beziehungen (vgl. auch Kobor in BeckOK AO, § 90 AO Rz. 35). Da die besonderen Aufzeichnungspflichten ihren Grund in der Nähebeziehung der Geschäftspartner haben, ist es folgerichtig, dass die Aufzeichnungspflicht auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen umfasst. Dies wird weiter dadurch konkretisiert, dass insbes. die Preise (Verrechnungspreise) und in diesem Zusammenhang insbes. Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten aufzuzeichnen sind. Diese Aufzeichnungen, die sog, Angemessenheitsdokumentation, sollten letztlich sicherstellen, dass es nicht durch unangemessene Verrechnungspreisgestaltungen zu Gewinnverlagerungen in Ausland kommt. Der Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen ist in § 4 GAufzV näher bestimmt (Local File).

 

Tz. 12

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§ 90 Abs. 3 Satz 3 AO erweitert die Aufzeichnungspflicht für ein Unternehmen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist. Zu den vom Stpfl. zu erstellenden Aufzeichnungen gehört auch ein Überblick über die Art der weltweiten Tätigkeit der Unternehmensgruppe und die von der Unternehmensgruppe angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, die sog. Stammdatendokumentation (Master File). Der Inhalt der Dokumentation ist in § 5 GAufzV nebst Anlage näher bestimmt. Der Stpfl. ist also verpflichtet, die weltweiten Informationen zu beschaffen, und zwar unabhängig vom Sitz der anderen Teile der Unternehmensgruppe. Von der Verpflichtung sind nur Unternehmen ausgenommen, deren Umsatz im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Mio. Euro betragen hat. Die Umsatzgrenze bezieht sich auf das im Inland stpfl. Unternehmen. Der Begriff der multinationalen Unternehmensgruppe ist in § 90 Abs. 3 Satz 4 AO legal definiert. Sie besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, i. S. des § 1 Abs. 2 AStG einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat.

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 90 Abs. 3 Satz 5 AO soll die Finanzbehörde die Vorlage der Aufzeichnungen in der Regel nur für die Durchführung einer Außenprüfung verlangen. Aus der Formulierung "soll" folgt, dass die Anforderung für die Finanzbehörde nicht zwingend ist, aber nicht im freien Ermessen der Finanzbehörde steht; deshalb werden die Finanzbehörden zukünftig wohl in der Vielzahl der Fälle eine Vorlage verlangen. Auch außerhalb von Außenprüfungen kann die Vorlage verlangt werden. Da es sich dabei aber um eine Ausnahme von der Regel – Vorlage bei Außenprüfung – handelt, ist das Verlangen nur berechtigt, wenn Anhaltspunkte ...

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