Tz. 24

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Neben den allgemeinen Grenzen des Ermessens (s. Rz. 19 ff.) verpflichtet § 5 AO die Finanzbehörde, bei der Ermessensausübung den "Zweck der Ermächtigung" (innere Ermessensgrenze) und die "gesetzlichen Grenzen des Ermessens" (äußere Ermessensgrenzen) einzuhalten.

1. Zweck der Ermächtigung

 

Tz. 25

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei den Ermessenserwägungen ist von der Behörde insbes. der Zweck der Ermächtigung zu berücksichtigen. Dieser ist nach den allgemeinen Regeln der Gesetzesauslegung zu ermitteln (z. B. BFH v. 23.05.1985, V R 124/79, BStBl II 1985, 489; s. § 4 AO Rz. 34 ff.). Die Entscheidungsbefugnis der Finanzbehörde ergibt sich aus dem Zweck der Ermächtigung (Drüen in Tipke/Kruse, § 5 AO Rz. 47 m. w. N.). Bei ihrer Entscheidung darf die Behörde nur solche Erwägungen anstellen, die vom Zweck der Ermächtigung gedeckt sind (Drüen in Tipke/Kruse, § 5 AO Rz. 47).

 

Tz. 26

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

2. Einhaltung der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm

 

Tz. 27

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bevor die Finanzbehörde auf der Rechtsfolgenseite der Ermächtigungsnorm ihr Ermessen auszuüben darf (s. Rz. 3), müssen die Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt sein. Der gesetzliche Tatbestand bildet daher gleichsam die äußere Grenze der Ermessensausübung und beschreibt den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Ermächtigungsnorm (s. Rz. 25). Dies macht eine zweistufige Prüfung durch die Finanzbehörde erforderlich: Zunächst muss das Vorliegen aller Merkmale auf Tatbestandsseite bejaht werden, bevor in einem zweiten Schritt die Ermessensausübung erfolgt (auch s. Rz. 3). Bsp.: Gem. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO sollen andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, "wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht" (dazu Balmes, AO-StB 2003, 349 ff.); nach § 222 AO können Steuern nur gestundet werden, "wenn ihre Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint"; nach § 297 AO kann die Vollstreckungsbehörde die Verwertung gepfändeter Sachen unter Anordnung von Zahlungsfristen zeitweilig aussetzen, "wenn die alsbaldige Verwertung unbillig wäre".

 

Tz. 28

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

3. Ermessensreduzierung auf null

 

Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ausnahmsweise verbleibt der Finanzbehörde kein Ermessen, obwohl der Tatbestand einer Ermessensnorm erfüllt ist, und zwar dann, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nur eine einzige Rechtsfolge rechtmäßig ist. Man spricht in diesem Fall von einer sog. Ermessensreduzierung auf null (Ermessensschrumpfung). In einem solchen Fall ist der prinzipiell bestehende Ermessenspielraum durch bestimmte Umstände des Einzelfalls auf eine einzige ermessensgerechte und somit rechtmäßige Entscheidung der Finanzbehörde verengt (z. B. BFH v. 07.11.2013, X R 22/11, BFH/NV 2014, 817). Jede andere Entscheidung würde zu einem Ermessensfehler führen. Sind Ermessensentscheidungen der Behörde grds. von den Gerichten nur auf ein Vorliegen von Ermessensfehlern zu überprüfen, darf das Gericht seine Ermessensüberlegungen also nicht anstelle der der Verwaltung anbringen, so ist bei der Ermessensreduzierung auf null – wie der BFH in st. Rspr. etwas unglücklich formuliert – die Entscheidung des Gerichtes an die Stelle der Behördenentscheidung zu setzen, da nur diese eine Entscheidung rechtmäßig ist (BFH v. 11.12.2013, XI R 22/11, BStBl II 2014, 332 m. w. N.; s. Rz. 34). Richtigerweise handelt es sich im Ergebnis um eine gebundene Entscheidung der Behörde, die von den Gerichten wie sonst auch in vollem Umfang überprüft werden kann (s. Rz. 34).

 

Tz. 30

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

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