Tz. 25

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Durch die ausdrückliche Trennung der Saldierungsvoraussetzungen in § 177 Abs. 1 und 2 AO ist klargestellt, dass Mehr- und Mindersteuern, die sich aus dem gleichzeitigen Vorliegen der Voraussetzungen für eine Korrektur zugunsten und zuungunsten des Stpfl. ergeben, für die Bemessung des Saldierungsspielraums nicht ihrerseits in ihrer Auswirkung vorweg saldiert werden dürfen (sog. Saldierungsverbot, so auch BFH v. 09.06.1993, I R 90/92, BStBl II 1993, 822).

 

Tz. 26

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die oberen und die unteren Grenzen der Fehlerberichtigung sind jeweils getrennt voneinander zu ermitteln (Rüsken in Klein, § 177 AO Rz. 14; auch BFH v. 14.07.1993, X R 34/90, BStBl II 1994, 77; von Wedelstädt in Gosch, § 177 AO Rz. 27; a. A. Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 177 AO Rz. 14).

 

Tz. 27

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

 

Beispiel:

Ist etwa eine Steuer gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO um 5 000 EUR zu erhöhen und außerdem gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO um 3 000 EUR zu ermäßigen, so führt dies zwar ohne Berücksichtigung des § 177 AO im Ergebnis nur zu einer Erhöhung von 2 000 EUR. Für die Saldierung von Rechtsfehlern entsteht jedoch hierdurch ein Dispositionsbetrag von insgesamt 8 000 EUR. Für die Zwecke der Saldierung ist also jede der sie rechtfertigenden Maßnahmen für sich getrennt zu berücksichtigen. Im Beispielsfall ist daher die Steuer – abhängig von der Existenz sich entsprechend auswirkender Rechtsfehler – höchstens um 5 000 EUR höher oder um 3 000 EUR niedriger als bisher festzusetzen.

 

Tz. 28

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Änderungsobergrenze ist der Steuerbetrag, der sich als Summe der bisherigen Steuerfestsetzung und der steuerlichen Auswirkung aller selbstständigen steuererhöhenden Änderungstatbestände ergibt. Änderungsuntergrenze ist der Betrag, der sich nach Abzug der steuerlichen Auswirkungen aller selbstständigen steuermindernden Korrekturtatbestände von der bisherigen Steuerfestsetzung ergibt (AEAO zu § 177, Nr. 3).

 

Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Liegen mehrere materielle Fehler vor, die teils zu Mehrsteuern und teils zu Mindersteuern führen, sind deren betragsmäßige Auswirkungen zunächst zu saldieren, wobei der Saldo anschließend innerhalb des Berichtigungsrahmens berücksichtigt wird (BFH v. 09.06.1993, I R 90/92, BStBl II 1993, 822).

 

Tz. 29a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Liegen die Voraussetzungen mehrerer selbstständiger, gegenläufiger Korrekturtatbestände (s. Rz. 26) und gleichzeitig mehrere gegenläufige materielle Fehler (s. Rz. 29) vor, ergibt sich aus der Systematik des § 177 AO folgende Vorgehensweise:

  • 1. Schritt: Bestimmung des Korrekturrahmens anhand der selbstständigen Korrekturtatbestände;
  • 2. Schritt: Ermittlung des Saldos aller materiellen Fehler i. S. des § 177 Abs. 3 AO;
  • 3. Schritt: Kompensation dieses Saldos mit den Korrekturmöglichkeiten gegenläufiger Tendenz;
  • 4. Schritt: Saldierung der nach der Kompensation ggf. verbleibenden Korrekturmöglichkeiten je nach Ergebnis der im 3. Schritt vorgenommenen Kompensation zuungunsten (§ 177 Abs. 2 AO) bzw. zugunsten des Stpfl. (§ 177 Abs. 1 AO).
 

Tz. 30

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wurde zur Ermittlung des Saldierungsrahmens bisher auf den zuletzt ergangenen Bescheid und auf den Bescheid, wie er durch die Änderung ergehen soll, abgestellt, geht die BFH-Rspr. davon aus, dass der Saldierungsrahmen nicht allein durch den letzten Bescheid bestimmt wird, sondern alle Änderungen heranzuziehen sind, die dem letzten Bescheid vorangegangen, aber nicht formell bestandskräftig geworden sind (BFH v. 10.08.2006, II R 24/05, BStBl II 2007, 87; BFH v. 10.08.2006, II R 59/05, BStBl II 2009, 758; BFH v. 09.08.2006, II R 61/05, BFH/NV 2007, 3; dagegen: Hundt-Eßwein, DStR 2007, 751). Diese Auffassung wurde vom BVerfG ausdrücklich bestätigt (BVerfG v. 10.06.2009, 1 BvR 571/07, DStRE 2009, 1021). Begründet wird dies durch einen systematischen Vergleich zwischen § 177 AO und § 351 Abs. 1 AO. § 177 Abs. 1 AO dient dazu, bereits bei der Bescheidkorrektur solche materiellen Fehler zu berücksichtigen, die der Stpfl. im Rahmen des § 351 Abs. 1 AO in einem Rechtsbehelfsverfahren geltend machen könnte. § 351 Abs. 1 AO stellt jedoch auf den letzten unanfechtbaren Verwaltungsakt ab (BFH v. 22.02.2015, X R 24/13, BFH/NV 2015, 1334; s. § 351 AO Rz. 4). Folglich müssen alle Änderungen berücksichtigt werden, die vor dem letzten Bescheid ergangen sind, aber noch nicht formell bestandskräftig sind. Dies gilt wegen des engen systematischen Zusammenhangs zwischen § 351 Abs. 1 AO und § 177 Abs. 1 AO auch für den Änderungsrahmen des § 177 AO.

Da § 177 Abs. 2 AO die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen gleichstellen will, gilt oben Gesagtes auch für § 177 Abs. 2 AO.

 

Tz. 31-33

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

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