Tz. 85

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Dieselbe Handlung kann zugleich gegen mehrere Strafgesetze verstoßen (Tateinheit oder rechtliches Zusammentreffen = Idealkonkurrenz, s. § 52 StGB), sei es gegen mehrere Steuerstrafgesetze (z. B. § 370 und § 372 bzw. § 369 Abs. 1 Nr. 3 AO) oder gegen ein Steuerstrafgesetz und ein Strafgesetz anderer Art. Voraussetzung ist, dass die zur Erfüllung der verschiedenen Straftatbestände erforderlichen Handlungen oder Unterlassungen in natürlicher Betrachtung zumindest teilweise zusammenfallen und damit "rechtlich zusammentreffen". Ein innerer Zusammenhang, wie z. B. ein gemeinsamer Zweck, genügt nicht, um verschiedene Handlungen oder Unterlassungen, die sich in tatsächlicher Hinsicht nicht wenigstens teilweise decken, zu einer Tateinheit im Rechtssinne zu verbinden. Wohl aber kann diese Tateinheit durch eine dritte Straftat hergestellt werden, die ihrerseits zu jeder der beiden anderen Straftaten im Verhältnis der Tateinheit steht (Beispiel: Ein Angestellter verfälscht die Steuererklärung des Dienstherrn – Urkundenfälschung – und unterschlägt die zur Steuerzahlung erhaltenen Mittel, zusammengefasst durch die auf solche Weise begangene Steuerhinterziehung).

 

Tz. 86

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Identität der verletzten Rechtsgüter (s. Rz. 2) ist nicht Voraussetzung für die Annahme von Tateinheit im Rechtssinne. Demnach können auch Handlungen zur Verkürzung mehrerer Steuern, die verschiedenen Steuergläubigern zufließen, tateinheitlich zusammentreffen. Das ist z. B. bei inhaltlich übereinstimmenden oder aufeinander abgestimmten Steuererklärungen, die gleichzeitig eingereicht werden der Fall (BGH v. 20.09.1995, 5 StR 197/95, wistra 1995, 62; BGH v. 05.03.1996, 5 StR 73/96, wistra 1995, 231), wenn das auch nicht in demselben Erklärungsvordruck geschieht (BayObLG v. 10.11.1972, 4 St 127/72, BB 1973, 74). Mithin können Einkommensteuer und Gewerbesteuer tateinheitlich verkürzt werden, und es kann darüber hinaus auch die Umsatzsteuer in die Handlungseinheit einbezogen sein (BGH v. 21.09.1994, 5 StR 114/94, wistra 1995, 21). Erforderlich ist jedoch ein äußerer Vorgang (z. B. gleichzeitige Aufgabe zur Post oder gleichzeitiger Einwurf in den Briefkasten des FA), in dem die Handlungen zur Verkürzung verschiedener Steuern durch übereinstimmend unrichtige Angaben zusammenfallen (BGH v. 21.03.1985, 1 StR 583/84, wistra 1985, 189; BGH v. 24.11.2004, 5 StR 220/04, wistra 2005, 56). Bei der Nichtabgabe von Steuererklärungen (Tatbegehen durch Unterlassen) kann Tateinheit vorliegen, denn auch bei Unterlassungen ist die Frage, ob Tateinheit besteht, nach § 52 StGB zu beurteilen (BGH v. 28.11.1984, 2 StR 309/84, wistra 1985, 66; a. A. OLG Köln v. 04.03.2004, 2 Ws 702/03, NJW 2004, 3504). Voraussetzung ist, dass der Täterwille dahin geht, mit der Nichtabgabe der Erklärung zu einer Steuerart zugleich seine Heranziehung zu anderen Steuern zu vermeiden (BGH v. 28.11.1984, 2 StR 309/84, wistra 1985, 66). Hinzukommen muss aber, dass die Angaben, die der Täter unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (BGH v. 28.10.2004, 5 StR 276/04, wistra 2005, 30). Bestreitet der Täter z. B. auf Anfrage des FA jegliche gewerbliche Tätigkeit, so wird die Hinterziehung von Umsatz-, Lohn-, Einkommen- und Gewerbesteuer zu einer Tat i. S. des § 52 StGB verknüpft (BGH v. 31.08.1984, 2 StR 452/84, wistra 1985, 20; BGH v. 05.09.1984, 2 StR 377/84, wistra 1985, 20). Eine natürliche Handlungseinheit ist anzunehmen, wenn der Täter mit dem Ziel, ein und dieselbe Steuer zu verkürzen, einen noch nicht fehlgeschlagenen Versuch der Steuerhinterziehung durch falsche Angaben fortsetzt, auch wenn die spätere Täuschungshandlung auf einen neuen Entschluss beruht (BGH v. 01.02.1989, 3 StR 450/88, wistra 1989, 184). Allein die Tatsache, dass mehrere unrichtige Steuererklärungen für verschiedene Stpfl. gleichzeitig zur Post gegeben werden, führt nicht zur Annahme einer natürlichen Handlungseinheit (BGH v. 24.11.2004, 5 StR 220/04, wistra 2005, 56).

 

Tz. 87

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Fall der Tateinheit ist nur dasjenige Strafgesetz anzuwenden, das die schwerste Strafe, bei ungleichen Strafarten die schwerste Strafart, androht (s. § 52 StGB), auch wenn das Mindestmaß niedriger ist als das des anderen Gesetzes, unter das aber nicht herabgegangen werden darf. Es ist also nicht entscheidend, welche Strafe in vergleichbaren Fällen üblicherweise in Betracht kommt, sondern welches Delikt nach Strafart und -rahmen das mildere ist (OLG Frankfurt/Main v. 16.01.1963, 1 Ss 34/63, NJW 1963, 1072). Das mildere Gesetz wird mit seiner Strafdrohung absorbiert (Verbot der Strafenhäufung). Hiervon ausgenommen sind Nebenstrafen und Nebenfolgen (s. § 375 AO; s. §§ 45, 70 StGB; BGH v. 21.09.1994, 5 StR 487/94, wistra 1995, 22: Berufsverbot), auf die auch dann erkannt werden kann, wenn sie nur das Gesetz mit der milderen Strafdrohung vorschreibt oder zulässt (s. § 52 Abs. 4 StGB).

 

Tz. 88

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

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