Tz. 101

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Als Strafe der Steuerhinterziehung ist in den Regelfällen des § 370 Abs. 1 AO wahlweise Freiheitsstrafe (von einem Monat bis zu fünf Jahren) oder Geldstrafe (von 5 bis zu 360 Tagessätzen) vorgesehen. Jedoch kann die Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe, also zusätzlich, verhängt werden (BGH v. 11.08.1989, 2 StR 170/89, MDR 1989, 1009), wenn sich der Täter – was im Falle der Steuerhinterziehung in der Regel der Fall sein wird – bereichert oder zu bereichern versucht hat. Das gilt allerdings nur unter der weiteren Voraussetzung, dass eine solche Strafschärfung auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist (s. § 41 StGB). Der Täter muss über nennenswerte eigene Einkünfte verfügen (BGH v. 27.09.2002, 5 StR 97/02, wistra 2003, 20, 22). Die zusätzliche Geldstrafe verfolgt dann auch den Zweck, dem Täter die wirtschaftlichen Vorteile zu entziehen, die er durch die Hinterziehung erlangt – und nicht schon durch die Nachzahlung der Steuer wieder herausgegeben – hat.

 

Tz. 102

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Bei der Bemessung des einschlägigen Satzes innerhalb des gesetzlichen Rahmens von einem bis 5 000 Euro ist in der Regel von dem Nettoeinkommen auszugehen, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Hierbei sind Schätzungen möglich (s. § 40 StGB).

 

Tz. 103

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Mindestdauer der Freiheitsstrafe beträgt einen Monat (s. § 38 Abs. 2 StGB), die Höchstdauer beträgt in den Regelfällen des § 370 Abs. 1 AO fünf Jahre (wegen der Bemessung s. § 39 StGB). Jedoch sind kurze Freiheitsstrafen (unter sechs Monaten) nur zu verhängen, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe "zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen" (s. § 47 Abs. 1 StGB; BGH v. 30.04.2009, 1 StR 342/08, BStBl II 2010, 323). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist anstelle einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur auf Geldstrafe zu erkennen (s. § 47 Abs. 2 StGB). Zur Aussetzung des Strafrests auf Bewährung s. § 57 StGB (BGH v. 15.02.1994, 5 StR 692/93, wistra 1994, 193). Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ordnet das Gericht unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB die Maßregel der Sicherungsverwahrung an (BGH v. 29.11.2001, 5 StR 507/01, wistra 2002, 98; BGH v. 27.09.2002, 5 StR 97/02, wistra 2003, 20, 22).

 

Tz. 104

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die steuerstrafrechtliche Praxis ist in den Regelfällen der Steuerhinterziehung auf Geldstrafe allein zu erkennen, und zwar innerhalb eines Rahmens von 5 bis 360 Tagessätzen (= höchstens 1,8 Mio. Euro, s. § 40 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 StGB). Für die Bemessung der Hinterziehungsstrafe hat es sich für die auf Dauer angelegten Begehungsformen eingeübt, die Strafzumessung von der Höhe des Verkürzungserfolgs abhängig zu machen (s. § 46 Abs. 2 StGB: verschuldete Auswirkungen der Tat). Auf die auch aus diesem Grunde erforderliche Ermittlung der objektiven Tatfolgen, insbes. der eingetretenen Steuerverkürzung (BGH v. 04.09.1979 5 StR 491/79, HFR 1980, 155), die für jede Steuerart und für jeden Steuerabschnitt festzustellen und anzugeben ist (BGH v. 17.03.1981, 1 StR 814/80, HFR 1981, 385), kann daher nicht verzichtet werden (BGH v. 13.03.1984, 1 StR 883/83, BB 1984, 2180). Dabei ist die Höhe des vom Täter aus der Hinterziehung gezogenen Gewinnes ebenso zu berücksichtigen wie ein bloßer Nutzungsschaden, den der Fiskus durch verspätete Entrichtung der Steuer oder eine erschlichene Stundung erlitten hat (sog. Steuerverkürzung auf Zeit; BGH v. 26.09.1978, 1 StR 293/78, DB 1979, 1065; BGH v. 07.12.1978, 4 StR 604/78, DB 1979, 1876; BGH v. 17.03.2009, 1 StR 627/08, NJW 2009, 1979). Das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO gilt für Zwecke der Strafzumessung nicht (BGH v. 20.07.1988, 3 StR 583/87, MDR 1989, 306). Die steuermindernden Beträge, die bei der Feststellung des Verkürzungserfolgs unberücksichtigt blieben, müssen für die Zwecke der Strafzumessung ermittelt werden (BGH v. 24.10.1990, 3 StR 16/90, wistra 1991, 107; BGH v. 08.01.2008, 5 StR 582/07, wistra 2008, 153). Auch für die Strafzumessung eines Tatbeteiligten ist eine Verkürzungsberechnung erforderlich (BGH v. 24.06.2009, 1 StR 229/09, wistra 2009, 396). Der Umstand, dass die Steuer bisher nicht beglichen wurde, darf nicht strafschärfend gewertet werden. Sonst würde das Nichtvorliegen eines Strafmilderungsgrundes, nämlich einer Schadenswiedergutmachung, als Strafschärfungsgrund berücksichtigt (BGH v. 24.01.2017, 1 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 217).

 

Tz. 105

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wirken in einem auf Steuerverkürzungen angelegten System mehrere Täter und Beteiligte zusammen, so ist in die Strafzumessung der einzelnen Tatbeteiligten nicht nur der durch sie selbst verursachte Schaden einzust...

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