Verurteilung für Weitergabe von Freikarten für Rock-Konzert

Der Leiter eines Hamburger Bezirksamts hat im Jahr 2017 Freikarten für ein Rolling Stones-Konzert an „Freunde des Hauses“ und Kollegen weitergegeben. Er ist vom Landgericht Hamburg wegen Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme verurteilt worden.

Für ein Konzert der Rolling Stones im Hamburger Stadtpark 2017 hat der damalige Chef der Genehmigungsbehörde Freikarten gefordert, angenommen und weitergegeben. Das Landgericht Hamburg hat deshalb den ehemaligen Leiter des Bezirksamts Nord, Harald Rösler, wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen von je 120 Euro verurteilt. Von den Hauptvorwürfen der Bestechlichkeit und Untreue wurde der 72-Jährige am 8. April 2022 freigesprochen. Sein damaliger Stellvertreter muss wegen Vorteilsannahme und Beihilfe 110 Tagessätze à 110 Euro zahlen. Freisprüche gab es für zwei Mitangeklagte, die bei der Veranstaltungsagentur für das Konzert verantwortlich waren. Ihnen war Bestechung vorgeworfen worden.

Rolling Stones-Konzert in Hamburg im Jahr 2017 mit 80.000 Zuschauern

Zum Auftakt ihrer «No Filter»-Europatournee hatten die Rolling Stones am 9. September 2017 vor mehr als 80.000 Fans im Stadtpark gespielt. Es sei das bislang größte Konzertereignis in Hamburg überhaupt gewesen, sagte der Vorsitzende der Strafkammer, Sönke Pesch. Dass die legendäre Rockgruppe auf der Festwiese auftreten konnte, sei von höherer Stelle unter Beteiligung des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) entschieden worden. Die Bezirksamtsleitung habe sich ab Anfang März 2017 nicht um das Ob, sondern nur noch um das Wie der Veranstaltung kümmern sollen.

Nutzungsentgelt für Festwiese in Höhe von 200.000 Euro vereinbart

Rösler habe als Basisgebühr für die Nutzung der Festwiese einen Betrag von 200.000 Euro ermitteln lassen. Dieser sei später auch vertraglich mit dem Veranstalter vereinbart worden. Die Regelung sei für die Stadt sehr günstig gewesen. Es könne keine Rede davon sein, dass Rösler damit der Stadt geschadet und sich der Untreue schuldig gemacht habe, betonte der Richter. Die beiden anderen Deutschland-Konzerte der Rolling Stones in München und Düsseldorf seien für die Veranstalter deutlich lukrativer gewesen.

Keine Bestechlichkeit im Rahmen der Vereinbarung von Freikarten

In den Verhandlungen mit der Veranstaltungsagentur habe Rösler zunächst 300 Freikarten gefordert. Schließlich einigte man sich auf 100 Freikarten und 300 weitere Kaufoptionen. Die Tickets hätten jedoch keinen Einfluss auf die Festsetzung des Nutzungsentgelts für die Veranstaltungsfläche gehabt. Darum habe sich der Bezirksamtschef auch nicht der Bestechlichkeit schuldig gemacht. Einen Empfang vor Beginn des Konzerts, an dem der Bezirksamtschef und seine Frau teilnahmen, sowie die Annahme von zwei Freikarten in diesem Zusammenhang beanstandete die Kammer nicht. Rösler habe Repräsentationspflichten wahrgenommen. Einen persönlichen Vorteil habe er dagegen durch die Annahme von vier weiteren Freikarten gehabt, die er an eine befreundete Familie weitergegeben habe.

Vorteilsgewährung durch Verteilung von Freikarten an „Freunde des Hauses“

Den Vorwurf der Vorteilsgewährung begründete das Gericht mit der Verteilung der übrigen Freikarten an «Freunde des Hauses», wie es Rösler seiner Sekretärin diktierte. Der Wert der Tickets habe insgesamt 14.743,90 Euro betragen. Diese Summe wird laut Urteil von dem Angeklagten eingezogen. Dem Bezirksamtschef und seinem Stellvertreter sei bewusst gewesen, dass die Behörde einen solchen Betrag nicht annehmen durfte. Der Stellvertreter habe darum Mitte Mai 2017 eine nachträgliche Genehmigung als Spende zurückdatiert, die der Chef abzeichnete.

«Sie wussten ganz genau, dass das nicht in Ordnung war», sagte der Richter zu den beiden Angeklagten. «Jeder Kundenzentrums-Mitarbeiter weiß, dass er nicht einen Pralinenkasten einer betagten, dankbaren Bürgerin annehmen darf, nicht mal zu Weihnachten.» Röslers Stellvertreter habe sich damit der Beihilfe schuldig gemacht. Zudem habe er drei Freikarten bekommen und damit den Tatbestand der Vorteilsannahme erfüllt. Der 50-Jährige muss zudem den Wert der Tickets, insgesamt 505,20 Euro, an die Justizkasse zahlen.

Das Gericht hielt auch die Weitergabe von Kaufkarten an drei Staatsräte für unrechtmäßig. Rösler habe auch in diesem Fall eine Vorteilsgewährung begangen, denn eine Kaufoption für ein Konzert, das innerhalb von Stunden ausverkauft war, sei ein Vorteil gewesen. Eine ehemalige Staatsrätin war bereits Ende 2019 zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 170 Euro verurteilt worden (Az.: 255 Ds 200/18). Das Urteil wegen Vorteilsannahme und der Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat ist noch nicht rechtskräftig.

(LG Hamburg, Urteil v. 8.4.2022, 622 KLs/ 4/20)


Hinweis:

Die Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB) zu Straftaten im Amt lauten:


§ 331 StGB Vorteilsannahme

 (1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 (2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.


§ 332 StGB Bestechlichkeit

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1. bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,

2. soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.


§ 333 StGB Vorteilsgewährung

(1) Wer einem Amtsträger, einem Europäischen Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einem Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.


dpa
Schlagworte zum Thema:  Compliance, Öffentlicher Dienst