Tz. 87

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 174 AO kann mit §§ 172, 173, 175 AO konkurrieren (BFH v. 07.11.2000, III R 81/97, BFH/NV 2001, 814) und ist im Verhältnis zu §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 AO subsidiär, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO (von Wedelstädt in Gosch, § 174 AO Rz. 139; a. A. Macher, DStR 1979, 549, die annehmen, dass § 174 AO nur hilfsweise für den Fall anwendbar sei, dass Nachholung, Aufhebung oder Änderung nach anderen Vorschriften nicht möglich ist).

 

Tz. 88

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO ist gem. § 110 Abs. 2 FGO ausgeschlossen, soweit zu dem steuerlichen Sachverhalt, dessen steuerliche Folgen durch den Änderungsbescheid gezogen werden sollen, bereits ein rechtskräftiges Urteil mit Bindungswirkung für die Beteiligten besteht. Aus § 110 Abs. 2 FGO folgt ein Vorrang der Rechtskraft gegenüber den Änderungsvorschriften der AO (z. B. BFH 12.01.2012, IV R 3/11, BFH/NV 2012, 779; BFH v. 27.09.2016, VIII R 16/14, BFH/NV 2017, 595; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 1232). Im Verhältnis zu § 110 FGO bleibt daher die Korrekturvorschrift des § 174 AO nur anwendbar, soweit dadurch die Rechtskraft des Urteils nicht beeinträchtigt wird (§ 110 Abs. 2 FGO). Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung hindert gem. § 110 Abs. 2 FGO demnach nicht die spätere Änderung eines von der Entscheidung umfassten Sachverhalts nach § 174 Abs. 4 AO, wenn das FA bei der Änderung der Bescheide für das Streitjahr nicht auf die Entscheidung des FG für dieses Jahr reagiert, sondern die Konsequenzen aus einer für den Kläger günstigen Änderung der Bescheide für ein anderes Jahr zieht (BFH v. 13.06.2012, I B 137/11, BFH/NV 2012, 1574; BFH v. 13.06.2012, VI R 92/10, BStBl II 2013, 139; s. Rz. 27). Ansonsten ist § 174 AO gegenüber § 110 FGO subsidiär, d. h. die Rechtskraft hat Vorrang vor der Änderungsvorschrift (BFH v. 08.06.2000, IV R 65/99, BStBl II 2001, 89; Loose in Tipke/Kruse. § 174 AO Rz. 19). Eine Änderung ist wegen entgegenstehender Rechtskraft also nicht möglich, wenn das FG unter Hinweis auf das "Verböserungsverbot" (s. § 96 FGO Rz. 15) davon abgesehen hat, den ursprünglich angefochtenen Bescheid zulasten des Klägers zu ändern; dann bietet § 174 Abs. 4 Satz 1 AO keine Handhabe dafür, dass das FA jene Änderung in einem weiteren Bescheid vornimmt (BFH v. 13.06.2012, I B 137/11, BFH/NV 2012, 1574; BFH v. 13.06.2012, VI R 92/10, BStBl II 2013, 139). Dies betrifft jedoch nur den Fall, dass derselbe Streitgegenstand betroffen ist. Ein allgemeines "Änderungsverbot" im Hinblick auf § 174 Abs. 4 AO begründet das finanzgerichtliche Verböserungsverbot jedoch nicht (BFH v. 08.06.2000, IV R 65/99, BStBl II 2001, 89; BFH v. 13.06.2012, VI R 92/10, BStBl II 2013, 139). Dieses verwehrt dem FG lediglich, den Kläger bezogen auf die mit der Klage angegriffene Steuerfestsetzung schlechterzustellen (BFH v. 13.06.2012, VI R 92/10, BStBl II 2013, 139; BFH v. 18.02.2016, V R 53/14, BFH/NV 2016, 869).

 

Tz. 89

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

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