Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Sind die Voraussetzungen für die Präklusion gegeben, sieht § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO vor, dass Erklärungen oder Beweismittel, die erst nach Ablauf der nach § 79b Abs. 1 oder Abs. 2 FGO gesetzten Frist vorgebracht werden, vom Gericht zurückgewiesen, d. h. bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt werden können und das Gericht ohne weitere Ermittlungen in der Sache entscheiden kann. Insoweit wird der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) eingeschränkt (vgl. BFH v. 10.12.2012, VI B 135/12, BFH/NV 2013, 569). Die Zurückweisung verspäteter Erklärungen und Beweismittel erfolgt nicht gesondert durch Beschluss, sondern im Urteil als Teil der Sachentscheidung innerhalb der Prüfung der Begründetheit der Klage; die Entscheidung muss auf die Voraussetzungen für die Zurückweisung eingehen (BFH v. 17.10.1990, I R 118/88, BStBl II 1991, 242). Dabei ist die Klage entgegen der Rspr. des BFH (BFH v. 08.03.1995, X B 243, 244/94 BStBl II 1995, 417) nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen, wie auch aus dem Wortlaut des § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO hervorgeht (gl. A. Seer in Tipke/Kruse, § 79b FGO Rz. 14). Demgegenüber soll die Versäumnis der nach § 79b Abs. 1 FGO gesetzten Frist alternativ zur Abweisung der Klage durch Prozessurteil berechtigen (z. B. BFH v. 08.03.1995, X B 243 244/94, BStBl II 1995, 417; BFH v. 19.01.2000, II B 112/99, BFH/NV 2000, 1103; Stapperfend in Gräber, § 79b FGO Rz. 50), "obwohl diese Rechtsfolge in § 79b Abs. 3 FGO nicht ausdrücklich genannt wird" (z. B. BFH v. 28.06.2017, III B 90/16, BFH/NV 2017, 1324). Die Präklusion erstreckt sich auf das Revisionsverfahren, soweit Erklärungen und Beweismittel zu Recht zurückgewiesen wurden (§ 121 Satz 3 FGO). Die Präklusion verspäteten Vorbringens steht im Ermessen des FG (BFH v. 16.06.2016, X B 110/15, BFH/NV 2016, 1481). Weist das Gericht das Vorbringen zu Unrecht (insbes. wegen Ermessensausfalls) als verspätet zurück, so liegt darin regelmäßig ein Verfahrensmangel, nämlich die Verletzung des Rechts auf Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO; auch BFH v. 30.05.1990, I R 50/86, BFH/NV 1991, 549; BFH v. 14.12.2006, II B 23/06, BFH/NV 2007, 495). Die Folgen der Präklusion vermeidet der Kläger, wenn er innerhalb der gesetzten Frist die maßgebenden Tatsachen vorträgt bzw. die geforderten Urkunden vorlegt oder die geforderten elektronischen Dokumente übermittelt; ein Hinweis auf die rechtliche Bedeutung der Tatsachen etc. ist nicht erforderlich (BFH v. 15.09.2005, II B 147/04, BFH/NV 2006, 106).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO kann gegeben sein, wenn das FG das Vorbringen eines Klägers zu Unrecht gem. § 79b Abs. 3 FGO zurückweist (z. B. BFH v. 01.08.2005, X B 28/05, BFH/NV 2005, 2038; BFH v. 15.04.2015, VIII R 65/13, juris). Fordert der Berichterstatter den Kläger indessen z. B. nach § 79b Abs. 2 FGO vergeblich auf, seine geltend gemachten Aufwendungen zu belegen und nimmt der Kläger auch nicht an der mündlichen Verhandlung teil, so kann er sich nicht auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht oder eine Gehörsverletzung berufen (BFH v. 09.07.2008, IX B 56/08, juris). Daher wird durch Setzen einer Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 FGO der Anspruch auf rechtliches Gehör jedenfalls dann nicht verletzt, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit hatte, die geforderten Angaben zu machen bzw. die Unterlagen vorzulegen (BFH v. 13.01.2009, VII B 166/08, ZSteu 2009, R253). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet nicht keine wiederholte Fristsetzung, wenn die erste Fristsetzung wirksam war, und der Kläger die Gelegenheit zum Vortrag innerhalb der gesetzten Frist nicht genutzt hat (BFH v. 03.05.2010, VIII B 72/09, BFH/NV 2010, 1474). Ohnehin führt die Nichtberücksichtigung von nach § 79b Abs. 3 Satz 2 FGO grds. nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten im Gerichtsverfahren aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts, also zulässigerweise unberücksichtigt lassen darf (BVerfG v. 15.11.1982, 1 BvR 585/80, BVerfGE 62, 249; BVerfG v. 20.03.1984, 1 BvR 763/82, BVerfGE 66, 260; BVerfG v. 12.10.1988, 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51; vgl. auch BFH v. 03.05.2010, VIII B 72/09, BFH/NV 2010, 1474; BFH v. 19.05.2009, II B 183/08, juris; BFH v. 03.05.2010, VIII B 72/09, BFH/NV 2010, 1474). Daher kann der Kläger mit einem entsprechenden Vorbringen auch nicht in einem etwaigen Verfassungsbeschwerdeverfahren durchdringen (auch s. Vor FGO Rz. 61d).

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