Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Regelung folgt der größeren Sachkenntnis des Betriebs-FA aufgrund der Betriebsnähe. Nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO werden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit gesondert festgestellt, wenn nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums das für die gesonderte Feststellung zuständige FA (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO i. V. m. § 26 AO) nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist (§ 19 AO) und an den Einkünften nicht mehrere Personen beteiligt sind. Spätere Änderungen dieser Verhältnisse sind irrelevant. Eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO ist daher auch dann durchzuführen, wenn nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums der Betrieb in den Bezirk des Wohnsitz-FA oder der Wohnsitz in den Bezirk des Betriebs-FA verlegt wird (AEAO zu § 180, Nr. 2.1 Abs. 2). Für Feststellungszeiträume, die nach dem 31.12.2014 beginnen, richtet sich bei Änderung der für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Verhältnisse nach Schluss des Gewinnermittlungszeitraums die örtliche Zuständigkeit auch für Feststellungszeiträume, die vor Änderung der maßgeblichen Verhältnisse liegen, nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO i. V. m. § 26 AO (§ 180 Abs. 1 Satz 2 AO). Die aktuellen örtlichen Verhältnisse sollen damit auch für Feststellungszeiträume vor dem Ortswechsel maßgebend sein (BT-Drs. 18/03017, 40; AEAO zu § 180, Nr. 2.1 Abs. 3). Das Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte Feststellung und die Festsetzung der ESt ist für die gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO Tatbestandsvoraussetzung (BFH v. 16.11.2006, XI B 156/05, BFH/NV 2007, 401 m. w. N.; Kunz in Gosch, § 180 AO Rz. 64). Die Anwendung von § 127 AO scheidet aus. Eine abweichende Zuständigkeitsvereinbarung zwischen Wohnsitz- und Betriebs-FA mit Wirkung für § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO ist unzulässig (Kunz in Gosch, § 180 AO Rz. 65; s. § 27 AO Rz. 1). Ein Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, der unter Verletzung der in § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO herangezogenen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit ergangen ist, muss aufgehoben werden, da die Verletzung der §§ 18, 19 AO in der gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO getroffenen Zuordnung ein nicht heilbarer Rechtsfehler ist (BFH v. 10.06.1999, IV R 69/98, BStBl II 1999, 691; AEAO zu § 127, Nr. 3 Satz 2). Ermittelt das Wohnsitz-FA entgegen der Regelung des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO die an sich gesondert festzustellenden Einkünfte des Stpfl., ist der Steuerbescheid rechtswidrig; dies ist weder nach § 127 AO unbeachtlich noch nach § 155 Abs. 2 AO heilbar (Kunz in Gosch, § 180 AO Rz. 65 m. w. N.). Ein Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO ist auch durchzuführen, wenn das Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit behauptet wird oder aufgrund des (ggf. streitigen) Sachverhalts möglich erscheint (BFH v. 19.08.2013, X B 16, 17/13, BFH/NV 2013, 1763). – Ein Feststellungsbescheid, bei dem im Zeitpunkt seines Erlasses die Voraussetzungen für eine gesonderte Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO nicht vorgelegen haben, ist bindend (BFH v. 09.06.2000, X B 104/99, BFH/NV 2001, 1).

In den Fällen des § 19 Abs. 3 und 4 AO (sog. Großstadtfälle) ist keine gesonderte Feststellung vorzunehmen, weil das Betriebs-, Lage- oder Tätigkeitsfinanzamt auch für die Einkommensbesteuerung zuständig ist (s. § 19 AO Rz. 5 und 8).

 

Tz. 29a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit sind nur solche nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht die übrigen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (AEAO zu § 180, Nr. 2.2). Bei freiberuflichen Einkünften muss der Stpfl. seine freiberufliche Tätigkeit vorwiegend von dem Bezirk eines FA ausüben, das nicht auch für seine Steuern vom Einkommen (§ 19 AO) zuständig ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 AO). Übt ein Stpfl. seine freiberufliche Tätigkeit in mehreren Gemeinden aus, ist für die dadurch erzielten Einkünfte nur eine gesonderte Feststellung durchzuführen; zuständig ist das FA, von dessen Bezirk aus die freiberufliche Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird, d. h. in dessen Bezirk der Schwerpunkt der Berufstätigkeit liegt. Ist dieses FA zugleich das Wohnsitz-FA, so bedarf es für die außerhalb der Wohnsitzgemeinde erzielten Einkünfte keiner gesonderten Feststellung (BFH v. 16.11.2006, XI B 156/05, BFH/NV 2007, 401 m. w. N.). Lässt sich kein Ort feststellen, von dem aus der Stpfl. seine Tätigkeit vorwiegend betreibt, regelt § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO keine Zuständigkeit für die gesonderte Gewinnfeststellung für diese Tätigkeit; eine gesonderte Gewinnfeststellung ist dann unzulässig (BFH v. 17.12.2003, XI R 13/01, BFH/NV 2004, 909 m. w. N.).

 

Tz. 30

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Maßgeblich für die Durchführung der gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz Nr. 2 Buchst. b AO ist, dass ...

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