Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gem. § 41 Abs. 1 FGO muss der Kläger an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes ein eigenes berechtigtes Interesse (Feststellungsinteresse, Rechtsschutzinteresse) haben. Das Interesse braucht kein rechtliches zu sein, insbes. kein abgabenrechtliches (ebenso Seer in Tipke/Kruse, § 41 FGO Rz. 8; a. A. BFH v. 11.04.1991, V R 86/85, BStBl II 1991, 729; von Beckerath in Gosch, § 41 FGO Rz. 27). Die Rechtsstellung des Klägers, sei es auf dem Abgabengebiet oder in sonstiger Hinsicht, braucht nicht berührt zu sein. Für ein berechtigtes Interesse i. S. von § 41 Abs. 1 FGO genügt nach st. Rspr. des BFH jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu führen (z. B. BFH v. 29.07.2003 VII R 39, 43/02, BStBl II 2003, 828 [833]). Ferner kann ein Feststellungsinteresse unabhängig von einer solchen Verbesserung der Position des Klägers in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht gezogen werden, vor allem bei Anordnungen, die das GG dem Richter vorbehalten hat (BVerfG v. 15.07.1998, 2 BvR 446/98, NJW 1999, 273). Das berechtigte Interesse muss sich auf alsbaldige Klarstellung richten; die nachteiligen Wirkungen der bestehenden Rechtsungewissheit müssen sich in der Gegenwart oder in absehbarer Zeit bemerkbar machen (BFH v. 02.02.1972, I R 181/70, BStBl II 1972, 353). Die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses begründet kein berechtigtes Interesse i. S. des § 41 Abs. 2 FGO (BFH v. 22.07.2010, VII B 227/09, BFH/NV 2010, 2238; anders: s. § 100 FGO Rz. 24). Bei einer Einbringung nach § 20 UmwStG und einem Anteilstausch nach § 21 UmwStG kann der nur Einbringende geltend machen, die in der Steuerfestsetzung gegen die aufnehmende Kapitalgesellschaft zugrunde gelegten Werte des eingebrachten Vermögens seien zu hoch (z. B. BFH vom 08.06.2011, I R 79/10, BStBl II 2012, 421). Daher hat die aufnehmende Kapitalgesellschaft weder eine Klagebefugnis in Bezug auf den Steuerbescheid, noch besteht für sie ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Werte des eingebrachten Vermögens (z. B. BFH v. 30.09.2015, I R 77/13, BFH/NV 2016, 959).

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines Steuerrechtsverhältnisses fehlt – von den Fällen der Subsidiarität (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO) abgesehen – namentlich dann, wenn dessen Regelung durch Verwaltungsakt und damit die Klärung im Anfechtungsprozess in naher Zukunft bevorsteht. Das Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage, mit der künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorgebeugt werden soll, ist jedoch ausnahmsweise zu bejahen, wenn der Kläger besondere Gründe hat, die es rechtfertigen, die Verwaltungsakte nicht abzuwarten (z. B. BFH v. 27.02.1973, VII R 100/70, BStBl II 1973, 536: Klage einer Vereinigung der Lohnsteuerzahler bei Streit über die Art und Weise der den Mitgliedern zu erbringenden Hilfe in Lohnsteuersachen; BFH v. 10.05.1977, VII R 69/76, BStBl II 1977, 785: Unzumutbarkeit des Abwartens eines ablehnenden Verwaltungsakts, wenn der voraussichtlich eintretende Zeitverlust das mit der Klage geltend zu machende Klagebegehren hinfällig werden ließe; s. Rz. 3). Wenngleich im Regelfall an der Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts ein berechtigtes Interesse besteht (BFH v. 10.11.1987, VIII R 94/87, BFH/NV 1988, 214; Rz. 5), kann es im Einzelfall zu verneinen sein: Unzulässig ist die Feststellungsklage, soweit die begehrte Feststellung eine Prüfungsanordnung (§ 196 AO) betrifft, denn die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Prüfungsanordnung ist incidenter im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Steuer- bzw. Feststellungsbescheid zu prüfen (BFH v. 10.02.1990, IX R 83/88, BStBl II 1990, 789). Zur Feststellung der Nichtigkeit von Unbedenklichkeitsbescheinigungen BFH v. 27.01.2000, VII B 42/99, BFH/NV 2000, 1105.

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