I. Zuständigkeit des Wohnsitzfinanzamts (§ 19 Abs. 1 AO)

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Grundsätzlich ist für die Steuern vom Einkommen und Vermögen natürlicher Personen das Wohnsitz-FA örtlich zuständig. Darunter versteht man das FA, in dessen Bezirk der Stpfl. seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum Begriff des Wohnsitzes s. § 8 AO; zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts s. § 9 AO. Bei mehrfachem Wohnsitz ist der vorwiegende Aufenthalt, bei verheirateten nicht dauernd getrennt lebenden Stpfl. der Familienwohnsitz maßgebend (AEAO zu § 19, Nr. 1), gleichgültig ob sie zusammen oder getrennt veranlagt werden (Rätke in Klein, § 19 AO Rz. 3 m. w. N.). Trennen sich die Eheleute und wählen für das Jahr der Trennung die Zusammenveranlagung, richtet sich die Zuständigkeit nach dem jeweiligen Wohnsitz der Ehegatten, sodass wegen mehrfacher örtlicher Zuständigkeit § 25 AO anzuwenden ist (Schmieszek in Gosch, § 19 AO Rz. 12 m. w. N.). Zuständig ist danach das FA, das zuerst mit der Sache befasst ist.

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei den unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Auslandsbediensteten und deren Haushaltsangehörigen (§ 1 Abs. 2, 3 und § 1a Abs. 2 EStG, früher § 1 Abs. 2 VStG) ist nach § 19 Abs. 1 Satz 3 AO das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die zahlende öffentliche Kasse befindet.

II. Fehlen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts (§ 19 Abs. 2 AO)

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Fehlt es an Wohnsitz bzw. gewöhnlichem Aufenthalt (beschränkte Steuerpflicht), richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Lage des Vermögens bzw. bei Betroffenheit mehrerer FA nach der Lage seines wertvollsten Teils. Ist kein Vermögen im Inland vorhanden, kommt es auf den Ort an, an dem die Inlandstätigkeit vorwiegend ausgeübt oder verwertet wird (worden ist). Dies betrifft z. B. die Fälle, in denen ausländische Künstler in Deutschland Gastspiele geben oder Ausländer nach Deutschland Lizenzen von gewerblichen Schutzrechten oder künstlerischen bzw. literarischen Urheberrechten vergeben und daraus Einkünfte ziehen.

III. Wohnsitzgemeinden mit mehreren Finanzämtern (§ 19 Abs. 3 und 4 AO)

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In Fällen, in denen der Stpfl. in einer Großstadt mit mehreren FA mit gebietsmäßiger Zuständigkeitsverteilung seine gewerbliche, land- und forstwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit in einem anderen FA-Bezirk als dem des Wohnsitz-FA ausübt, hat zur Verwaltungsvereinfachung das FA, das für die an sich nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO erforderlichen gesonderten Feststellungen zuständig ist, die Veranlagung für die Steuern vom Einkommen und Vermögen zu übernehmen (AEAO zu § 19, Nr. 2 Satz 1). Mit der Übernahme der Besteuerung für diese Einkünfte durch das Lage-, Betriebs- oder Tätigkeits-FA entfällt die Voraussetzung der Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO (AEAO zu § 19, Nr. 2 Satz 2). Beteiligungseinkünfte sind nur dann von der Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 1 AO erfasst, wenn es sich um die einzigen Einkünfte des Stpfl. handelt (§ 19 Abs. 3 Satz 2 AO); die bloße Möglichkeit weiterer Einkünfte reicht nicht aus (BFH v. 23.02.2005, XI R 21/04, BFH/NV 2005, 1218 ff.). Wird die freiberufliche Tätigkeit in den Bezirken mehrerer FA innerhalb der Wohnsitzgemeinde ausgeübt, ist das FA zuständig, in dessen Bezirk die Tätigkeit vorwiegend ausgeübt wird (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 AO, s. § 18 AO Rz. 9). Das gilt auch, wenn die Tätigkeit auch außerhalb der Wohnsitzgemeinde, aber vorwiegend in der Wohnsitzgemeinde ausgeübt wird; eine gesonderte Feststellung für den außerhalb der Wohnsitzgemeinde ausgeübten Teil der Tätigkeit ist nicht zulässig (BFH v. 10.06.1999, IV R 69/98, BStBl II 1999, 691).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Anwendung der Regelung nach § 19 Abs. 3 AO werden bei Stpfl., die zusammen zu veranlagen sind oder zusammen veranlagt werden können, die Einkünfte der Veranlagungsgemeinschaft so behandelt, als seien sie von einem Stpfl. bezogen (§ 19 Abs. 4 AO).

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die besondere örtliche Zuständigkeit i. S. des § 19 Abs. 3 und 4 AO zieht (ausgelaufen) auch die Zuständigkeit für die Steuern vom Vermögen der betroffenen natürlichen Personen nach sich.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Regelung lässt offen, welches FA in den Fällen des § 19 Abs. 3 und 4 AO die Besteuerung zu übernehmen hat, wenn ein Stpfl. in den Bezirken mehrerer anderer FA als des Wohnsitz-FA Einkünfte aus Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft oder freiberuflicher Tätigkeit bezieht und dies nicht Einkünfte aus Gewinnanteilen sind. Das Wohnsitz-FA ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 3 Satz 1 AO nicht zuständig. Vielmehr ergibt sich hieraus eine mehrfache örtliche Zuständigkeit derjenigen FA, die nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO für eine gesonderte Feststellung zuständig sind bzw. wären, sodass nach § 25 AO zu verfahren ist (BFH v. 07.09.2000, II R 39/98, BStBl II 2001, 116): die örtliche Zuständigkeit richtet sich danach, welches von den mehreren örtlich zuständigen FA mit der Besteuerung zuerst befasst ist, es sei denn, dass die Zuständigkeit durch eine Einigung zwisch...

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