Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Rechtschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) und das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) bedarf es einer Möglichkeit, Rechtsnachteile zu vermeiden, die in Folge einer unverschuldeten Fristversäumnis entstehen können. Diesem damit verfassungsrechtlich gebotenen Bedürfnis trägt die Möglichkeit der Wiedereinsetzung Rechnung, indem sie der Rechtsrichtigkeit gegenüber der Rechtssicherheit Vorrang einräumt. Dabei stellt das Gesetz zu Recht hohe Anforderungen an das Vorliegen der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen. Den dabei in der Praxis oft festzustellenden Tendenzen der FinVerw., aber auch der Rechtsprechung, die Anforderungen zu überspannen, ist das BVerfG (v. 02.09.2002, 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835) entgegengetreten. Danach ist es verwehrt, die Beschreitung des Rechtsweges und den damit verbundenen Anspruch auf die Durchsetzung materiellen Rechts durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften zu verkürzen. Dies bedeutet für die Wiedereinsetzung, dass deren Voraussetzungen im Zweifel so auszulegen sind, dass dem Bürger der Zugang zu einer materiell-rechtlichen Prüfung des Gerichts ermöglicht wird.

In der täglichen Praxis sind Wiedereinsetzungsanträge häufig, aber trotz der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach großzügiger Auslegung oft erfolglos. Dabei beruht die Erfolglosigkeit oft auf dem unzureichenden Vorbringen der Wiedereinsetzungsgründe.

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