Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Anders als es die Überschrift vor den §§ 172ff. AO vermuten lassen könnte, enthält die AO – ebenso wenig wie die VwVfG des Bundes und der Länder sowie das SGB X – keine Regelung über die Bestandskraft. Vielmehr regeln die §§ 172177 AO, unter welchen Voraussetzungen die (materielle) Bestandskraft (s. Rz. 12) von Steuerbescheiden durchbrochen wird, und legen damit die Voraussetzungen für deren Korrektur fest, die im Steuerrecht als Massenverfahren erforderlich ist. Wegen der Kompliziertheit des materiellen Steuerrechts und der großen Anzahl der zu erlassenden Bescheide ist dieses Verfahren besonders fehleranfällig. Die ergangenen Bescheide dürfen wegen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes aber nicht beliebig geändert werden. Auf der anderen Seite erfordert der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG; s. § 3 AO Rz. 17 f.) die Übereinstimmung der ergangenen Bescheide mit dem materiellen Steuerrecht. Die genannten Prinzipien haben Verfassungsrang, da sie wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) sind. Dem Ausgleich zwischen der Rechtsrichtigkeit und der Rechtssicherheit dienen die §§ 172ff. AO.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Korrektur von bestandskräftigen Bescheiden richtet sich zunächst nach der Grundnorm des § 172 AO. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO ermöglicht die Korrektur von Steuerbescheiden allgemein dann, wenn dies durch gesetzliche Vorschriften zugelassen ist. Zu diesen Änderungsvorschriften gehören insbes. die §§ 173175b AO, aber auch besondere steuerrechtliche Regelungen (s. § 172 AO Rz. 41). Der so eröffnete Änderungsrahmen wird durch die §§ 176, 177 AO begrenzt, die selber keine Korrekturmöglichkeit schaffen. Neben die §§ 172ff. AO treten zum einen die §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 AO, die eine materielle Bindungskraft der Steuerbescheide (teilweise) ausschließen, zum anderen die §§ 130, 131 AO, die Rücknahme und Widerruf von sonstigen Steuerverwaltungsakten (s. Rz. 5) regeln, auf die die §§ 172ff. AO keine Anwendung finden (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO), sowie § 129 AO, der die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten hinsichtlich aller Steuerverwaltungsakte gestattet.

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