Tz. 28

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind die unter die Vorschrift fallenden Bescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden (s. Rz. 17 ff.), die zu einer höheren Steuer führen. Ob eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führt, hängt in erster Linie davon ab, von welchen Tatsachen die Besteuerung bisher ausgegangen ist. Ist das FA der Erklärung des Stpfl. gefolgt, so sind die erklärten Einkünfte maßgeblich. Ergibt sich später, dass Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart nicht erklärt und deswegen auch nicht berücksichtigt worden sind, so stellt die Einkunftsart, d. h. die Höhe der aus ihr erzielten Einkünfte, die nachträglich bekannt gewordene Tatsache dar. Diese führt entweder zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO, je nachdem ob sich die Steuer dadurch gegenüber der bislang festgesetzten erhöht oder ermäßigt. Zur Ermittlung, ob eine höhere oder niedrigere Steuer festgesetzt wird, ist allein auf das Ergebnis der Steuerfestsetzung – ohne die Berücksichtigung von Steuerabzugsbeträgen wie z. B. LSt-Abzugsbeträgen – abzustellen (AEAO § 173 Nr. 1.4; OFD Düsseldorf/OFD Münster v. 21.07.2005, S-0351, hierzu Hütt, AO-StB 2005, 265). Zu den Besonderheiten bei Feststellungsbescheiden s. Rz. 33.

 

Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird die gewerbliche Tätigkeit als solche mit den hieraus erzielten Einkünften (also einem Saldo von Aufwand und Erträgen) nachträglich bekannt, können diese Einkünfte nicht in steuererhöhende Betriebseinnahmen und steuermindernde Betriebsausgaben bzw. Vermögensminderungen aufgespalten werden (BFH v. 01.10.1993, III R 58/92, BStBl II 1994, 346; Rüsken in Klein, § 173 AO Rz. 99; s. AEAO zu § 173, Nr. 6.2). Nach der Rspr. des BFH (BFH v. 16.03.1990, VI R 90/86, BStBl II 1990, 610) ist jeweils für die einzelne Steuerart und den einzelnen Veranlagungszeitraum zu prüfen, ob eine neue Tatsache eine höhere oder niedrigere Veranlagung rechtfertigt (Rüsken in Klein, § 173 AO Rz. 104; Loose in Tipke/Kruse, § 173 AO Rz. 58). Das Gesetz kennt keine "Gesamtveranlagung" zu mehreren Steuern und für mehrere Steuerabschnitte. Der BFH (BFH v. 30.11.1986, III R 163/82, BStBl II 1987, 161) differenziert weiter bezüglich Tatsachen, die den laufenden Gewinn und solchen, die einen Veräußerungsgewinn betreffen (jedenfalls für den Fall vorheriger Schätzung des jeweiligen Gewinns).

 

Tz. 30

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Tatsachen, die eine Erhöhung der USt begründen, und Tatsachen, die eine Vorsteuererhöhung begründen, sind ebenfalls zu differenzieren (OFD Magdeburg v. 19.07.2004, S-0351-16-St 251, AO-Kartei Karte 5, DStR 2004, 1748). Eine Saldierung ist nicht zulässig, weil Umsätze und Vorsteuer jeweils selbstständige Tatsachen sind (von Wedelstädt in Gosch, § 173 AO Rz. 19 m. w. N.). Ein Zusammenhang i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO besteht jedoch dann, wenn die Eingangsleistung zur Ausführung der nachträglich bekannt gewordenen Umsätze verwendet wurden und die Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen (AEAO zu § 173, Nr. 6.3; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz. 305).

 

Tz. 31

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zu einer höheren Steuer führen grundsätzlich nur solche Tatsachen oder Beweismittel, bei denen diese Wirkung nicht außerdem von einer Willensentscheidung des Stpfl. abhängig ist: die Tatsachen müssen steuerlich rechtserheblich sein (s. Rz. 35 ff.). Eine "höhere Steuer" liegt auch dann vor, wenn ein Vergütungsanspruch aufgrund der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismittel niedriger festzusetzen ist. Bei einer Änderung zuungunsten des Stpfl. liegt die objektive Feststellungslast für das nachträgliche Bekanntwerden beim FA (BFH v. 06.12.1994, IX R 11/91, BStBl II 1995, 192; BFH v. 24.04.2002, VI B 20/02, BFH/NV 2002, 901), es sei denn der Stpfl. hat den zu ändernden Bescheid schuldhaft und vorwerfbar durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt.

 

Tz. 32

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO die einschlägigen Bescheide aufzuheben oder zu ändern. Eine niedrigere Steuer i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bewirken die Tatsachen oder Beweismittel auch dann, wenn sie die Erhöhung einer Steuervergütung zur Folge haben. Im Hinblick darauf, dass nach § 155 Abs. 1 Satz 3 AO auch die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung einem Steuerbescheid gleichsteht, sind (BFH v. 12.05.1989, III R 200/85, BStBl II 1989, 920) die Voraussetzungen für deren Aufhebung auf Begehren des Stpfl. nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu bestimmen, ohne dass es einer konkreten Prüfung der möglichen steuerlichen Auswirkung einer nachfolgenden Veranlagung bedarf.

 

Tz. 33

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Bei Feststellungsbescheiden (§ 179 AO) kommt § 173 AO i. V. m. § 181 Abs. 1 Nr. 1 AO mit der Maßgabe zur Anwendung, dass es allein auf die Erhöhung oder Minderung der...

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