FinMin Nordrhein-Westfalen, 4.2.2013, S 0160

 

1. Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO

Wurde eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger – das FA – einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

Im Bereich der Einkommensteuer können sich solche Erstattungsansprüche insbesondere ergeben

  • infolge der Anrechnung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG),
  • infolge der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen (z.B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) sowie
  • im Falle der Aufhebung von Einkommensteuerfestsetzungen oder der Durchführung von Änderungs- bzw. Berichtigungsveranlagungen zugunsten des Steuerpflichtigen, wenn die ursprünglich festgesetzte Steuer bereits entrichtet war.
 

2. Erstattungsberechtigung bei zusammen veranlagten Ehegatten

Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG besteht die – widerlegbare – gesetzliche Vermutung, dass bei einer intakten Ehe die Erstattung an einen Ehegatten von dem anderen gebilligt wird (BFH-Urteil vom 5.4.1990, VII R 2/89, BStBl 1990 II S. 719).

Aus der Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ergibt sich jedoch hinsichtlich des Erstattungsanspruchs keine Gesamtgläubigerschaft der zusammen veranlagten Ehegatten (BFH-Urteil vom 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl 1983 II S. 162).

Diese Regelung dient der Verwaltungsvereinfachung und setzt sich aus Gründen der Arbeitserleichterung des Finanzamts über die materielle Rechtslage bezüglich der Erstattungsberechtigung hinweg. Sie hat den Zweck, dem FA Nachforschungen zur Erstattungsberechtigung zusammen veranlagter Ehegatten zu ersparen, und findet ihre Rechtfertigung darin, dass sich Eheleute, die die Zusammenveranlagung beantragen, durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung gegenseitig bevollmächtigen können, nicht nur den Steuerbescheid, sondern auch einen etwaigen Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen (Einziehungsvollmacht).

 

2.1 Ausnahmen von § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG

Die gesetzliche Vermutung gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ist jedoch widerlegbar. Deshalb ist das FA bei der Ausübung des ihm eingeräumten Auswahlermessens gehalten, die ihm erkennbaren Interessen des bzw. der jeweiligen Erstattungsberechtigten in seine Entscheidung einzubeziehen. Es darf folglich nicht mehr an einen Ehegatten auszahlen, wenn es erkennt oder erkennen musste, dass der andere Ehegatte damit aus beachtlichen Gründen nicht einverstanden ist.

Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Eheleute inzwischen geschieden sind oder getrennt leben oder wenn dem FA aus sonstigen Umständen bekannt ist, dass ein Ehegatte die Erstattung an den anderen nicht billigt (BFH-Urteile vom 5.4.1990, VII R 2/89, BStBl 1990 II S. 719, und vom 8.1.1991, VII R 18/90, BStBl 1991 II S. 442).

In diesen Fällen ist es erforderlich, Feststellungen zur Erstattungsberechtigung der beiden Ehegatten zu treffen und ggf. die Höhe des auf jeden entfallenden Erstattungsbetrags zu ermitteln.

Auf die Erstattungsberechtigung des einzelnen Ehegatten kommt es z.B. auch an, wenn das FA mit Abgabenrückständen eines der beiden Ehegatten aufrechnen will oder wenn der Erstattungsanspruch nur eines der beiden Ehegatten abgetreten, gepfändet oder verpfändet worden ist. Die materielle Anspruchsberechtigung aufgrund des Gesetzes (§ 37 Abs. 2 AO) muss in diesen Fällen selbst dann geprüft werden, wenn die Eheleute übereinstimmend davon ausgehen, dass der steuerliche Erstattungsanspruch ihnen gemeinsam zusteht (BFH-Beschluss vom 12.3.1991, VII S 30/90, BFH/NV 1992 S. 145). Zahlt das FA bei der Zusammenveranlagung aufgrund des gegenüber einem Ehegatten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch den auf den anderen Ehegatten entfallenden Erstattungsbetrag an den Pfändungsgläubiger aus, kann es von diesem die Rückzahlung dieses ohne Rechtsgrund gezahlten Betrages verlangen (BFH-Urteil vom 13.2.1996, VII R 89/95, BStBl 1996 II S. 436).

 

2.2 Bedeutung der Angabe des Bankkontos in der gemeinsamen Steuererklärung

Im Übrigen kann das FA mit schuldbefreiender Wirkung die Erstattung nur durch Überweisung auf das in der gemeinsamen Steuererklärung benannte Bankkonto leisten. Ist Inhaber dieses Kontos nur einer der beiden Ehegatten, so wird das FA von seiner Erstattungsverpflichtung gegenüber dem nach materiellem Recht erstattungsberechtigten Ehegatten nicht frei, wenn es den Erstattungsbetrag statt dessen auf ein Konto des anderen Ehegatten überweist (BFH-Urteil vom 5.4.1990, VII R 2/89, BStBl 1990 II S. 719). Dagegen wird es aber von seiner Erstattungsverpflichtung frei, wenn es den Erstattungsbetrag zwar nicht auf das in der Steuererklärung angegebene Konto, wohl aber auf ein anderes Konto des materiell erstattungsberechtigten Ehegatten überweist (Urteil des Hessischen FG vom 30.11.1990, 9 K 9182/86, EFG 1991 S. 291).

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