Leitsatz

Steht anhand objektiver Anhaltspunkte, die innerhalb der Zuordnungsfrist erkennbar geworden sind, fest, dass der Steuerpflichtige einen Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet hat, ist es nicht zusätzlich erforderlich, dass er die erfolgte Zuordnung der Finanzverwaltung innerhalb dieser Frist mitteilt (Anschluss an BFH-Urteile vom 04.05.2022 ‐ XI R 28/21 (XI R 3/19),BFH/NV 2022, 878, und XI R 29/21 (XI R 7/19), BFH/NV 2022, 881).

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 und 1b, § 16 Abs. 2 UStG, Art. 167, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 Abs. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Der Kläger begann 2014 mit der Errichtung eines Wohn- und Bürogebäudes auf einem von ihm erworbenen Grundstück. Die Büroräume mit einer Fläche von 110 m² und einem Anteil der Gesamtfläche von 32 % vermietete der Kläger seit Fertigstellung mit Vertrag vom 1.5.2016 unter Verzicht auf die Steuerfreiheit an die C‐GmbH, deren Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer er ist. Die in den Jahren 2015 und 2016 angefallenen und auf den vermieteten Gebäudeteil entfallenden Herstellungskosten enthielten Vorsteuerbeträge von 64.218,19 EUR, für die der Kläger mit der am 27.12.2017 abgegebenen USt-Erklärung für 2016 den Vorsteuerabzug begehrte. Das FA versagte den Vorsteuerabzug mangels einer rechtzeitigen Dokumentation der erforderlichen Zuordnungsentscheidung. Das FG bestätigte dies mit seiner Klageabweisung (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.11.2019, 3 K 2217/18, Haufe-Index 13595760, EFG 2020, 145).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung, die zum Vorsteuerabzug berechtigt, nur dann vorliegt, wenn diese bis zum 31.5. des Folgejahrs dem FA gegenüber abgegeben wird. Es bestehe für das Streitjahr (2016) aber nur die Berechtigung zum Abzug der in diesem Jahr angefallenen Vorsteuerbeträge. Hierzu sowie zur Frage einer Organschaft seien weitere Feststellungen zu treffen.

 

Hinweis

1. Der BFH hatte bereits im letzten Jahr entschieden, dass die bei einer gemischt unternehmerisch-privaten Verwendung von Gegenständen zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs erforderliche Dokumentation der Zuordnungsentscheidung keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzverwaltung erfordert (BFH, Urteil vom 4.5.2022, XI R 28/21 (XI R 3/19),BFH/NV 2022, 878, und BFH, Urteil vom 4.5.2022, XI R 29/21 (XI R 7/19),BFH/NV 2022, 881).

2. Hierauf aufbauend entscheidet der BFH im Besprechungsurteil ergänzend, dass bei einem derart gemischt genutzten Gebäude auch der Abschluss eines Mietvertrags zur Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung in Bezug auf die vermieteten Flächen ausreicht.

3. Zu beachten ist, dass der BFH offenlässt, ob es im Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1b UStG überhaupt einer Zuordnungsentscheidung bedarf.

Dagegen spricht, dass das Erfordernis einer zum Erwerb zeitnahen Dokumentation von Zuordnungsentscheidungen mit dem Grundsatz des sofortigen Abzugs von Vorsteuerbeträgen begründet wurde. Die Zuordnung ermöglichte so einen Vorsteuerabzug auch insoweit, als der Unternehmer von ihm erworbene (oder hergestellte) Gegenstände privat verwendete.

Ein derartiger Vorsteuerabzug im Umfang einer privaten Mitverwendung wird aber durch § 15 Abs. 1b UStG ausgeschlossen, sodass weder für ein Zuordnungs- noch für ein Dokumentationserfordernis eine sachliche Rechtfertigung besteht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.9.2022 – V R 4/20

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