Leitsatz

1. Entstehen Selbstkosten i.S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen.

2. Müssen aufgrund einer unentgeltlichen Abgabe von Wärme aus einem Blockheizkraftwerk die Selbstkosten auf den Strom und die Wärme aufgeteilt werden, hat die Aufteilung im Regelfall nicht nach der erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie (in kWh), sondern nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) zu erfolgen (entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE).

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1b, § 10 Abs. 4, § 15 Abs. 4 UStG, Art. 74 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom 1.2.2001 wurde die AA-Stromerzeugung GbR als sog. Innengesellschaft gegründet. Gesellschafter sind neben dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) AA seine Ehefrau AB sowie sein Sohn AC. Die Gesellschaft wird vom Kläger, der laut Gesellschaftsvertrag die Geschäfte der Gesellschaft nach außen hin abwickelt, vertreten. Gegenstand des Unternehmens ist die Stromerzeugung aus Biomasse in einem Blockheizkraftwerk ohne Fremdbezug zur Verteilung.

Der Kläger produziert mit einer KWK-Anlage Strom, den er steuerpflichtig gegen Entgelt liefert. Die durch die Stromproduktion in dieser KWK-Anlage ebenfalls entstehende Abwärme wurde zur Versorgung seines privaten Wohnhauses, des von ihm und seiner Ehefrau AB betriebenen Hühnermaststalls I, des von einer anderen GbR, an der der Kläger beteiligt war, betriebenen Hühnermaststalls II, des Fermenters sowie des Wärmenetzes der Gemeinde D verwendet. Die Gemeinde verwendete die Wärme für verschiedene Objekte (Rathaus, Feuerwehrhaus, Grundschule, Kindergarten, Pfarrheim, Pfarrhaus, eine Gastwirtschaft, ein Wohnhaus und ein Geschäftshaus).

Das FA sah in der Wärmeabgabe an die Gemeinde eine Entnahme nach § 3 Abs. 1b UStG. Es berechne die Selbstkosten je Kilowattstunde (kWh) nach der Gesamtmenge des gelieferten Stroms und der erzeugten Wärme (jeweils in kWh). Da die von dem FA so ermittelten Selbstkosten je kWh Wärme über dem jeweiligen bundeseinheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreis des Vorjahres lagen, multiplizierte das FA anschließend nur den durchschnittlichen Fernwärmepreis (in EUR/kWh) mit der jeweiligen Wärmeabgabe (in kWh), um die unentgeltliche Wertabgabe zu berechnen. Dementsprechend erhöhte das FA die bisher nur für das Wohnhaus erklärte unentgeltliche Wertabgabe um insgesamt 145.831 EUR (2010) und 129.568 EUR (2011) sowie die bisher im Jahr 2012 für das Wohnhaus und für die Hühnermastställe I und II erklärte unentgeltliche Wertabgabe um 108.582 EUR. Die unentgeltliche Wärmeabgabe an den Fermenter blieb unbeanstandet.

Die Klage zum FG blieb ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 14.3.2019, 14 K 860/16, Haufe-Index 14267968). Das FG entschied, die in § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorausgesetzte Zuwendung eines Gegenstands erfasse auch die Wärmeabgaben an die Gemeinde und die übrigen Einrichtungen; diese sei vorliegend unentgeltlich erfolgt. Die Bemessungsgrundlage bestimme sich nicht nach einem Einkaufspreis, sondern nach den Selbstkosten. Da eine energetische Aufteilung der Selbstkosten zu einem überhöhten Wertansatz führe, sei der niedrigere durchschnittliche Fernwärmepreis auf die jeweilige Wärmeabgabe (in kWh) anzuwenden.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe zu Unrecht den durchschnittlichen Fernwärmepreis anstelle anteiliger Selbstkosten als Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Wertabgaben angesetzt und die Aufteilung der Selbstkosten nach der "energetischen Methode" vorgenommen. Die Sache sei nicht spruchreif, da nunmehr der fiktiven Verkaufsumsatz zu bestimmen sei.

 

Hinweis

1. Im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 16.9.2020, C 528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, EU:C:2020:712, Haufe-Index 14095489, und die Folgerechtsprechung des BFH (BFH, Urteil vom 16.12.2020, XI R 26/20, XI R 28/17, BFH/NV 2021, 896, Haufe-Index 1446804) ist fraglich geworden, ob der nach seinem Wortlaut sehr weit gefasste Entnahmetatbestand des § 3 Abs. 1b UStG einschränkend auszulegen ist.

Bei einer Anlage, die Strom und Wärme produziert, wobei der Unternehmer den Strom steuerpflichtig-entgeltlich liefert, während er die Wärme unentgeltlich abgibt, was nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1b UStG den Entnahmetatbestand auslöst, könnte z.B. gegen eine Entnahmebesteuerung anzuführen sein, dass die Abgabe nur erfolgt, um in Form des sog. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen-Bonus ein erhöhtes Entgelt für die Stromlieferung zu erhalten.

Dem folgt der BFH nicht und bejaht gleichwohl den Entnahmetatbestand. Er verweist hierfür darauf, dass auch nach der EuGH-Rechtsprechung dem Entnahmetatbestand nicht entgegensteht, wenn eine Weitergabe für die Zwecke des Unternehmens stattfindet. Gegenteiliges ergibt sich aus Sicht des BFH auch nicht aus dem in diesem Zusammenhang betonten Erfordernis eines unversteuerten Endverbra...

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