Leitsatz

1. Ohne die Strafakten beizuziehen kann sich das FG die in einem rechtskräftigen Strafurteil des LG getroffenen Feststellungen zu eigen machen, wenn gegen die Entscheidung des BGH, mit der dieser die gegen das Urteil des LG eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen hat, keine substantiierten Einwendungen erhoben worden sind.

2. Die Grundsätze der anteiligen Haftung für die Umsatzsteuer, die der Senat für die Haftung nach § 69 AO entwickelt hat, können nicht auf die Haftung eines Steuerhehlers nach § 71 AO für die durch Schwarzbrennen entstandene Branntweinsteuer übertragen werden

 

Normenkette

§ 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 69, § 71, § 374 AO, § 136 Abs. 3 Nr. 1 BranntwMonG a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin war Geschäftsführerin eines Unternehmens, das Abfindungsbranntwein kaufte und verkaufte. Nach den Feststellungen des Zollfahndungsamts und des LG im gegen die Klägerin gerichteten Strafverfahren kaufte sie während eines längeren Zeitraums mehrfach Branntwein, der in einer ohne Genehmigung betriebenen Brennerei hergestellt worden war. Wegen des Erwerbs dieses Branntweins wurde die Klägerin vom LG wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt. Die dagegen beim BGH eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.

Das HZA nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid gem. § 71 AO auf Zahlung der nicht entrichteten Branntweinsteuer in Anspruch. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab, wobei es sich die Feststellungen des LG im Strafverfahren zu eigen machte (FG des Saarlandes, Urteil vom 17.10.2012, 2 K 1520/10, Haufe-Index 3679999).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1.Sind Vorgänge sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen – wie es bei Steuerdelikten der Fall ist –, sind die Finanzgerichte nach ständiger Rechtsprechung des BFH an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung zwar nicht gebunden. Sie verstoßen jedoch nicht gegen die ihnen obliegende Sachaufklärungspflicht, wenn sie sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu eigen machen, soweit zu ihrer Überzeugung feststeht, dass diese Feststellungen zutreffend sind und substanziierte Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts nicht erhoben werden (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 2.12.2003, VII R 17/03, BFHE 204, 380, m.w.N.). Zur Übernahme der (vom FG als zutreffend erkannten) ­strafgerichtlichen Feststellungen und Beweiswürdigungen besteht insbesondere Anlass, wenn die Entscheidung des Strafgerichts rechtskräftig geworden ist (BFH, Urteil vom 13.6.1973, VII R 58/71, BFHE 109, 306, BStBl II 1973, 666).

Unter Zugrundelegung dieser ständigen Rechtsprechung hat der BFH im Streitfall die Übernahme der Tatsachenfeststellungen aus dem Strafverfahren durch das FG rechtlich nicht beanstandet. Dabei wurde berücksichtigt, dass der BGH im strafrechtlichen Revisionsverfahren die Einwendungen der Klägerin gegen die Feststellungen des LG als nicht durchgreifend angesehen und die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren diese Einwendungen lediglich wiederholt hatte.

2. Haftet (z.B.) der Geschäftsführer einer GmbH für deren Steuerschulden gem. § 69 AO wegen Verletzung seiner steuerlichen Pflichten, gilt nach BFH-Rechtsprechung der sog. Grundsatz der anteiligen Haftung (oder anteiligen Tilgung). Die Haftung reicht nur so weit, wie die GmbH mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden unter Berücksichtigung der üblichen Verbindlichkeiten hätte begleichen können, oder m. a. W. so weit, wie der Geschäftsführer das FA im Vergleich zu den übrigen Gläubigern benachteiligt hat. Ist die Pflichtverletzung des Geschäftsführers zugleich eine Steuerhinterziehung, soll dieser Grundsatz auch im Rahmen der Haftung nach § 71 AO gelten (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 26.8.1992, VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8).

Im Streitfall hat sich die Klägerin hierauf berufen und geltend gemacht, der Steuerschuldner (der illegale Hersteller des Branntweins) hätte bei Fälligkeit der Branntweinsteuer keine Mittel gehabt, die Steuerschuld zu begleichen. Der BFH hat demgegenüber klargestellt, dass der Grundsatz der anteiligen Haftung auf die Fälle der gleichzeitigen Vertreterhaftung gem. §§ 34 und 69 AO beschränkt bleibt und für die isolierte Haftung des Steuerhehlers gem. § 71 AO nicht gilt.

Der Steuerhehler trägt mit seiner Tat zur Aufrechterhaltung des vom Steuerhinterzieher geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustands bei. Er macht sich damit strafbar und wird zum Ausgleich des dem Fiskus entstandenen Vermögensschadens mit herangezogen. Demgegenüber kann er (natürlich) nicht mit Erfolg einwenden, der Steuerhinterzieher hätte bei rechtmäßigem Verhalten die fällige Steuerschuld nicht begleichen können. Bei rechtmäßigem Verhalten wäre vielmehr weder der Tatbestand der Steuerhinterziehung noch derjenige der Steuerhehlerei erfüllt gewesen.

 

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