Leitsatz

1. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit Einspruch und Klage angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch das FA nicht mit Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, sondern nur durch Aufnahme des unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren wandelt sich dabei in ein Insolvenzfeststellungsverfahren um, wodurch sich die Parteirollen der Beteiligten ändern.

2. Erlässt das FA gleichwohl einen Feststellungsbescheid, entfällt spätestens mit dessen Bestandskraft das für die Zulässigkeit des Insolvenzfeststellungsverfahrens erforderliche Feststellungsinteresse.

3. Das Rechtsschutzinteresse kann auch noch nachträglich im Revisionsverfahren entfallen mit der Folge, dass das Urteil der Vorinstanz unrichtig und die Klage unzulässig wird.

 

Normenkette

§ 251 Abs. 3 AO, § 178 Abs. 3, § 183 Abs. 1 InsO, § 40 Abs. 2, § 41 Abs. 1, § 118, § 121 FGO

 

Sachverhalt

Steuerberater B erhob nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage zum FG. Während des FG-Verfahrens ergingen zunächst Änderungsbescheide. Im Anschluss hieran wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des B eröffnet. Der Insolvenzverwalter erhob Widerspruch gegen die vom FA zur Tabelle angemeldeten Forderungen.

Das FA erließ am 7.6.2010 einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO und nahm das Klageverfahren – aufgrund der Insolvenzeröffnung unterbrochene Klageverfahren – wegen USt 2000 bis 2002 wieder auf. Das bisherige Anfechtungsverfahren (Klage gegen Steuerfestsetzung) wandelte sich dadurch in ein Insolvenzfeststellungsverfahren mit dem FA als Kläger und dem Insolvenzverwalter als Beklagten um. Das FG (FG Köln, Urteil vom 29.10.2013, 8 K 3605/06, Haufe-Index 7372667, EFG 2015, 10) gab der Klage des FA statt.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Das FG habe zwar zutreffend erkannt, dass sich das ursprüngliche Anfechtungsverfahren durch die Aufnahme des Verfahrens durch das Finanzamt in eine Insolvenzfeststellungsklage des FA gewandelt habe. Diese Feststellungsklage sei aber unzulässig, weil es spätestens seit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheides vom 7.6.2010 an einem Feststellungsinteresse des FA fehle. Das Fehlen dieser Sachentscheidungsvoraussetzung sei auch dann zu berücksichtigen, wenn das Feststellungsinteresse erst während des Revisionsverfahrens entfalle.

 

Hinweis

1.Das Zusammentreffen von FG- und Insolvenzverfahren führt zu verfahrensrechtlichen Besonderheiten.

a) Liegt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bestandskräftige Steuerfestsetzung und damit ein Schuldtitel i.S.d. § 179 Abs. 2 InsO vor, ist das FA im Falle des Bestreitens der Forderung durch den Insolvenzverwalter berechtigt, das Bestehen der angemeldeten Forderung durch Bescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO festzustellen, wenn der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch auf die von ihm behauptete Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung stützt (BFH, Urteil vom 23.2.2010, VII R 48/07, BFH/NV 2010, 1200).

b) Für die gesonderte Geltendmachung des Steueranspruchs als Insolvenzforderung durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AOneben einem fortzuführenden Rechtsbehelfsverfahren ist kein Raum, da dann die Gefahr besteht, dass zwei voneinander unabhängige Rechtsbehelfsverfahren über dieselben Steuerforderungen betrieben werden (BFH, Urteil vom 23.2.2010, VII R 48/07, BFH/NV 2010, 1200).

2. Ist das Klageverfahren wieder aufzunehmen (s. oben 1.b), wandelt sich das ursprüngliche Anfechtungsverfahren in ein Insolvenzfeststellungsverfahren um. Hierdurch ändern sich die Parteirollen der Beteiligten. Das FA tritt nunmehr als Klagepartei hinsichtlich des von ihm erhobenen Feststellungsantrags auf. Streitgegenstand ist die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle.

3. Eine derartige Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung besteht. Ein gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassener Bescheid enthält die Feststellung, dass der bestrittene Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht und i.S.v. § 38 InsO begründet ist. Festgestellte Steueransprüche werden von der rechtskraftähnlichen Wirkung des Tabelleneintrages i.S.v. § 178 Abs. 3 InsO erfasst, sodass sie ohne Steuerbescheid durchgesetzt werden können.

Wird der Feststellungsbescheid unanfechtbar, wirkt er in entsprechender Anwendung der Regelung in § 183 Abs. 1 InsO wie eine rechtskräftige Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Ein weitergehendes Feststellungsinteresse des FA besteht dann nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.8.2015 – V R 39/14

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